08.01.2020

Irak: Die Ereignisse der letzten Tage

Kleiner Einblick und Einordnung der gegnwärtigen Situation im Irak

Die Ereignisse der letzten Tage

  • Seit Ende Oktober 2019 häufen sich Angriffe auf Anlagen im Irak, auf denen amerikanische Soldaten oder Diplomaten stationiert sind.
  • 27.12.2019: Bei einem Raketenangriff pro-iranischer Milizen in der nordirakischen Stadt Kirkuk wird u.a. ein US-Bürger getötet und vier weitere verletzt.
  • 30.12.2019: Bei US-Luftangriffen auf Waffenlager und Kommandozentren der Iran-verbündeten schiitischen Miliz (Kataib-Hisbollah-Brigaden) im Irak und in Syrien sind mehrere Menschen getötet und Dutzende verletzt worden.
  • 31.12.2019: Schiitische Milizionäre attackieren die US-Botschaft in Bagdad und versuchen, gemeinsam mit vielen Demonstranten, diese zu stürmen.
  • 03.01.2020: Qasem Soleimani (Kommandeur der Quds-Einheit, einer Unterabteilung der iranischen Revolutionsgarde, die Spezialeinsätze außerhalb des Iran durchführt) und Abu Mahdi al-Muhandis, Leiter der Iran-orientierten sogenannten Volksmobilisierung (englisch: "Popular Mobilization Forces", arabisch: "Al-Haschd asch-Schaʿbi") werden durch einen gezielten US-Drohnenangriff auf dem Gelände des Bagdaders Flughafen getötet.
  • 05.01.2020: Das irakische Parlament fordert den Abzug aller ausländischer Truppen aus dem Irak.​​​​​​

  Hintergrund

Warum hat Trump Soleimani jetzt töten lassen?
Nach dem Sturm auf die amerikanische Botschaft in Bagdad hat Präsident Donald Trump mehrere Optionen zur Verfügung gehabt. Er wählte die extreme. Damit hat er einige seiner Mitarbeiter überrascht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.01.20

Warum musste Soleimani sterben?
Nach der Tötung Qassem Soleimanis durch einen gezielten US-Luftangriff schwört die Islamische Republik Rache, Experten befürchten eine Eskalation im Konflikt zwischen dem Iran und den USA. Warum war Soleimani so wichtig für beide Seiten?
Deutsche Welle, 06.01.20

Wie geht es nun weiter?

"Irankritische Stimmen mundtot gemacht"
Die Protestbewegung ist Vergangenheit, Irans Macht stärker als zuvor
Friedrich-Ebert-Stiftung, 07.01.20

Das Mullah-Regime profitiert, doch das kann sich schnell wieder ändern
Vor kurzem richteten sich Massendemonstrationen im Mittleren Osten gegen die Mullahs. Nun gegen die USA. Das kann sich auch wieder drehen. Eine Analyse.
Tagesspiegel, 07.01.20

Die Ermordung des Oberbefehlshabers lässt dem Iran nur sehr wenige Möglichkeiten, sich zu rächen (englischer Artikel)
Aufgrund der wirtschaftlichen Not in Teheran, der geringeren Unterstützung der Bevölkerung in Gesellschaften im Nahen Osten und der internationalen Isolation ist es unwahrscheinlich, dass der Iran sich militärisch an den Vereinigten Staaten rächt.
Al-Monitor, 03.01.20
> Link zur automatisierten deutschen Übersetzung <

Europas Presse debattiert, ob nun eine Eskalation droht und ob der Iran überhaupt in der Lage ist, einen Krieg gegen die USA zu führen.
> Ein deutschsprachiger Überblick vom 07.01.20 <

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Was macht die Bundeswehr im Irak?

Es sind knapp 90 Soldaten im Kurdengebiet im Norden des Irakes im Einsatz, um dort kurdische Kräfte auszubilden. Im Militärkomplex Tadschi, 30 Kilometer nördlich von Bagdad, sitzen 27 Bundeswehrsoldaten für die Ausbildung irakischer Kräfte. Zudem gibt es im Hauptquartier der Anti-IS-Koalition in Bagdad fünf deutsche Soldaten.
Informationen der Bundeswehr zum Einsatz
Die gesetzliche Grundlage des Einsatzes
Überblick der Tagesschau

Wie reagiert die deutsche Politik?

Regierung beschließt teilweisen Abzug aus dem Irak:

Die Bundeswehr will rund 30 Soldaten aus Sicherheitsgründen vorübergehend aus dem Irak nach Jordanien und Kuwait verlegen, wie Verteidigungs- und Außenministerium dem Bundestag in einem Schreiben am späten Montagabend mitteilten. Das deutsche Kontingent im Irak solle vorübergehend ausgedünnt werden. Das gelte insbesondere für die Standorte Bagdad und Taji. Die Regierung hatte zuvor klargestellt, dass die Bundeswehr nicht gegen den Willen der irakischen Regierung im Land bleiben werde. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes machte aber auch deutlich, dass ein Abzug deutscher Soldaten die Erfolge im Kampf gegen den IS gefährden könnte. SPD und Union haben für Donnerstag eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestages zur Sicherheitslage im Irak beantragt. Außenminister Heiko Maas hat im Interview mit dem Deutschlandfunk bezweifelt, dass die USA die Folgen der Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani im Irak richtig eingeschätzt hatten.
Bundeswehr schickt vorerst keine neuen Soldaten in den Irak:

Angesichts der explosiven Lage in der Golfregion hat die Bundeswehr ihre Ausbildungsmission für irakische Sicherheitskräfte vorübergehend eingestellt. Allerdings werden die Tornado-Aufklärungsflüge für die internationale Anti-IS-Koalition vorerst fortgesetzt. Außenminister Heiko Maas erklärte nach dem Beschluss des Parlaments in Bagdad, die Regierung werde jede Entscheidung des Irak respektieren. Er plädierte dafür, das Treffen der EU-Außenminister auf diese Woche vorzuziehen, damit sich die EU schnell auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen könne.

Reaktionen darauf:

Unrühmliches Ende für verkorksten deutschen Irak-Einsatz
Der Bundeswehr-Einsatz im Irak geht einem unrühmlichen Ende entgegen: Die Regierung bereitet den „reaktionsschnellen“ Rückzug vor. Von Anfang an folgte das Engagement einem alten deutschen Muster.
WELT, 07.01.20
Grüne werfen Heiko Maas Tatenlosigkeit vor
Nach der Eskalation in Bagdad fordern die Grünen von der Bundesregierung eine diplomatische Initiative. Streit gibt es um den Bundeswehr-Einsatz im Irak.
Tagesspiegel, 04.01.20
Grüner Populismus
Die irakische Armee und die Kurden zu stärken, ist sinnvoll. Wer nun den Abbruch der Bundeswehrmission fordert, macht es sich zu leicht.
taz, 06.01.20
Ach, wäre doch Maas nur etwas mehr wie Genscher...
Heiko Maas hat ganze 15 Stunden für eine Reaktion auf den Angriff auf Soleimani gebraucht – und wirkt immer noch ratlos. Mehr Autorität ist nötig. Ein Kommentar.
Tagesspiegel, 06.01.20

Die Gefahr des IS ist im Irak noch nicht gebannt

Keine Stabilisierung ohne Risiko. Deutschland darf den Irak jetzt nicht allein lassen. (PDF-Dokument)
Jetzt mehren sich Stimmen, die auf das zunehmende Risiko des deutschen Engagements vor Ort hinweisen. Doch was aus dem Irak wird, darf Deutschland nicht gleichgültig sein
Ekkehard Brose (Präsdient der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und ehemaliger Botschaft im Irak), 06.01.20

Iraks Dilemma mit den US-Truppen
Nach dem Tod Soleimanis ist die Region mehr denn je auf die Präsenz der US-Truppen angewiesen - um zu verhindern, dass die Dschihadisten des IS wieder erstarken.
Süddeutsche Zeitung, 07.01.20

 

Welche Auswirkungen hat dies auf die Christen im Land?

Die Ermordung von Soleimani durch die USA könnte verheerende Folgen für die irakischen Christen haben (englischer Artikel)
Christen haben gerade erst begonnen, in Gemeinschaften zurückzukehren, die zuerst  vom IS, dann von den irakischen und US-amerikanischen Koalitionskräften, die den IS vertrieben hatten, zerstört wurden. Zu diesen Kräften gehört auch die schiitische Miliz, die in der letzten Woche von der Regierung Trump ins Visier genommen wurde.
America Magazin, 03.01.20
> Link zur automatisierten deutschen Übersetzung <
Patriarch Sako befürchtet den "Ausbruch eines Vulkans", nachdem Tod des iranischen Generals (englischer Artikel)
Der chaldäisch-katholische Patriarch von Bagdad, Louis Raphael Sako, forderte die Christen und Muslime im Irak auf, für ihre Führer zu beten.
Christian leader in Iraq worries ‘volcano about to erupt’ after killing of Iranian general
 America Magazin, 03.01.20
> Link zur automatisierten deutschen Übersetzung <
The Christian Post, 06.01.20

Schlussgedanken

Herzliche Einladung zur Veranstaltung "Eine Region verändert sich: Zur Zukunft der Christen und der Religionen im Nahen Osten" am Fr, 09.01.20 in München, bei der u.a. unser Freund und Partner Erzdiakon Emanuel Youkhana aktuelle Einblicke geben wird.

> Veranstaltungsinfos <
Unser Engagement für Christen, Jesiden und religiöse Minderheiten im Irak geht unverändert weiter. Gerade jetzt ist wichtig, was als Ziel 16 der globalen Nachhaltigkeitsziele vereinbart wurde: "Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen."

Oder um es mit dieser Bitte zu beschreiben, die ich heute morgen gelesen habe: "Wir brauchen Menschen, die beten und sich wirklich engagieren. Bitte unterstützt Organisationen die im Nahen Osten arbeiten."

David Müller, ojcos-stiftung - Politischer Fürsprecher
für Religionsfreiheit im Irak
und Mitarbeiter bei AKREF