16.03.2020

Griechenland: „Gott ist auch in den Flüchtlingslagern am Werk“

Ein Bericht von Christian Starke aus idea

In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Ägäis-Inseln herrschen Überfüllung, Not und Gewalt. Ein deutscher Evangelikaler, der auf einer der Inseln lebt und Kontakt zu den Betroffenen hat, kann auch Positives vermelden. 

Die Situation in den Lagern auf den griechischen Ägäis-Inseln ist katastrophal: Sie sind für 7.500 Menschen konzipiert, aber mehr als 40.000 drängen sich auf engstem Raum. Viele hausen im Schlamm unter Plastikplanen und in Zelten. Die hygienischen und medizinischen Bedingungen sind desaströs. Das bekannteste Lager ist Moria auf der Insel Lesbos, die etwa 85.000 Einwohner zählt. Über 20.000 Flüchtlinge aus etwa 60 Nationalitäten sind hier zusammengepfercht. Immer wieder kommt es deshalb zu Gewaltausbrüchen und Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen. Trotz der schlimmen Situation gibt es aber auch gute Nachrichten: Christen lässt die Not der Menschen nicht kalt. Viele leisten praktische Hilfe, andere verkünden das Evangelium. Einer von ihnen berichtete davon auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) in Rehe (Westerwald).

Warum der Helfer anonym bleiben will

Aus Sicherheitsgründen hat der 62-Jährige idea gebeten, seinen Namen und seine Organisation nicht zu nennen. Er lebt seit drei Monaten auf einer der Inseln, koordiniert dort Einsätze interkultureller Teams und will die geistliche Arbeit nicht gefährden. Denn es gibt nach seinen Angaben Gewalt durch rechtsradikale Griechen gegen Hilfsorganisationen. Auch Islamisten seien in den Lagern aktiv und verfolgten mit Argwohn das Engagement von Christen. Der Franke dachte ursprünglich daran, wegen Belastungen durch Pflege in der Familie mit 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand zu treten. Doch es kam anders: Im August 2019 wirkte er mit bei einem missionarischen Einsatz in Bamberg. Dabei wurden 150 Persisch sprechende Flüchtlinge von ihren eigenen Landsleuten mit dem Evangelium erreicht. Sie waren so sehr an geistlichen Schriften interessiert, „dass sie uns den Büchertisch leergeräumt haben“. „Das hat bei mir den Hebel umgelegt“, berichtet der Mitarbeiter, der auch schon elf Jahre in Südasien tätig war. Dieses Erlebnis war für ihn eine Berufung, Menschen in den griechischen Lagern die frohmachende Botschaft von Jesus Christus zu bringen. Bisher begleitete er ein Dutzend Teams von Christen. Dabei handelt es sich meist um Personen, die selbst aus Herkunftsländern der Flüchtlinge stammen und deren Sprachen sprechen, etwa Arabisch, Farsi und Dari. Die Arbeit trägt Früchte: „Gerade Menschen aus dem persischen Sprachraum sind sehr offen für den christlichen Glauben.“ Aber auch Syrer, Kurden, Palästinenser und Somalis haben viele Fragen zu Jesus und zur Bibel. Inzwischen haben sich kleine Gruppen gebildet, die zusammen Gottesdienst feiern.

„Das Evangelium bringt Heilung und Hoffnung“

Nach den Erfahrungen des Koordinators sind viele Lagerbewohner vom Islam enttäuscht: „Sie haben eine Sehnsucht nach Frieden, Vergebung und Versöhnung. Und das Evangelium bringt ihnen Heilung und Hoffnung. Gott ist auch in den Flüchtlingslagern am Werk.“ Dennoch wünscht sich der Mitarbeiter, dass Christen hier noch aktiver werden. Er verweist auf Mormonen und Zeugen Jehovas, die am Rande der Camps und an den Treffpunkten der Flüchtlinge präsent sind, um sie für sich zu gewinnen: „Die Zeugen Jehovas fahren sogar mit Bussen vor und holen sie zu ihren Gottesdiensten ab.“ Der Evangelikale ruft die Repräsentanten der Missionswerke auf, die Möglichkeiten auf den Ägäis-Inseln zu nutzen: „Geht mal eine Woche runter! Die Leute warten auf euch.“ Er habe so „offene Erntefelder“ noch nie erlebt. Aber man wisse nicht, wie lange dieses „Zeitfenster“ noch offen ist und Christen Zugang zu den Flüchtlingen haben, da die griechische Regierung Pläne hat, einen Großteil der Menschen in geschlossenen Lagern unterzubringen.