16.08.2012
Libanon: “Christen im Libanon müssen vereinter sein”
Gespräch mit dem maronitisch-katholischen Patriarchen von Beirut Bechara Boutros Rai, Maronitisch-katholischerer Patriarch von Beirut
Libanon: “Christen im Libanon müssen vereinter sein”
Gespräch mit dem maronitisch-katholischen Patriarchen von Beirut
Bechara Boutros Rai, Maronitisch-katholischerer Patriarch von Beirut
Im Libanon haben zuletzt wegen des Bürgerkriegs in Syrien die Spannungen zwischen den Religionsgruppen zugenommen. Oliver Maksan, Nahost-Korrespondent von KIRCHE IN NOT, hat mit dem Patriarchen der Maronitisch-katholischen Kirche, Bechara Boutros Rai, über die aktuelle Lage gesprochen.
Eure Seligkeit, glauben Sie, dass der syrische Bürgerkrieg auf den Libanon übergreifen und zu religiösen Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten führen wird? Dieses Jahr gab es ja schon Kämpfe zwischen beiden Religionsgruppen.
Sicher. Der Bürgerkrieg in Syrien zwischen der sunnitischen Mehrheit und der alawitischen Minderheit beginnt sich schon auf die Sunniten und Alawiten im Nordlibanon, in Tripoli und Akkar auszuwirken. Außerdem sind die Libanesen in Unterstützer des Assad-Regimes und Unterstützer der Opposition gespalten. Zudem wird der anhaltende politische Konflikt zwischen den Sunniten und den Schiiten aufgrund der syrischen Ereignisse schärfer.
Was können die Christen des Libanon tun, um neue Spannungen in ihrer Heimat zu verhindern?
Die Christen des Libanon müssen wieder vereinter sein und wieder ihrer Verantwortung gerecht werden. Denn sie streben aufgrund ihrer Kultur und geistigen Einstellung immer nach Frieden, Fortschritt und den Werten der Moderne. Sie lieben den Frieden und kämpfen für die Gerechtigkeit. Sie sind zum Zusammenleben und zur Zusammenarbeit mit den Muslimen bereit, ohne Vorurteile und Hintergedanken.
Aber erschwert die Verfassung des Libanon nicht dieses Zusammenleben? Der Staat und seine Ämter sind entlang der Grenzen der Religionsgruppen aufgeteilt. Kritiker meinen, dass so die Gräben zwischen den Religionen auf Dauer verfestigt werden.
Muslime und Christen leben im Allgemeinen in gemischten Gebieten. Der Libanon trennt, anders als alle anderen Staaten der Region, Religion und Staat. Er respektiert dabei Gott und alle Religionen und Bekenntnisse. Der Staat mischt sich nicht in Fragen ein, die das göttliche Gesetz angehen.
Er anerkennt die gesetzgeberische und rechtsprechende Autonomie aller Religionen, was die Fragen der Religion und der Ehe mit ihren zivilen Wirkungen anbelangt. Das wird ‘Statut Personnel’ genannt. Es ist ein Aspekt des Konfessionalismus.
Der andere Aspekt ist die gleiche Teilhabe der Christen und der Muslime an der Macht und der öffentlichen Verwaltung. Um diese Übereinkunft, die auch ‘Pacte National’ genannt wird, zu verstehen, muss man sich daran erinnern, dass alle arabischen Staaten und sogar Israel auf einer islamischen oder jüdischen Theokratie gegründet sind.
Der Libanon ist ein rein ziviler Staat. Er hat keine Staatsreligion, und kein religiöses Buch ist Quelle seiner Gesetzgebung. Es handelt sich um ein gemeinschaftliches Leben, das die Christen, die naturgemäß nach Laizität streben, und die Muslime, die nach Theokratie streben, organisiert.
Quelle: Kirche in Not