28.08.2012
Nahost und Nordafrika: Die Wiege der Christenheit ist bedroht
Arabischer Frühling bringt schlechte Aussichten für christliche Minderheiten
Nahost und Nordafrika: Die Wiege der Christenheit ist bedroht
Arabischer Frühling bringt schlechte Aussichten für christliche Minderheiten
Pewsey (idea) – Die Wiege der Christenheit im Nahen Osten ist zunehmend bedroht. Vor rund 2.000 Jahren verbreitete sich der Glaube an Jesus Christus vom Heiligen Land aus rasch in den gesamten Nahen und Mittleren Osten sowie nach Nordafrika. Doch heute stehen die Christen in dieser inzwischen meist islamisch geprägten Region unter starkem Druck – durch extremistische Muslime oder staatliche Repressionen. Der mit vielen Hoffnungen verbundene Arabische Frühling bringt den christlichen Minderheiten keine guten Aussichten. Vielmehr werden ihre Freiheiten und ihr gesellschaftlicher Status durch neue islamistische Regierungen weiter eingeschränkt; die Verfolgung nimmt zu. Hunderttausende Christen haben bereits ihre Heimat verlassen. Darauf macht das Hilfswerk für verfolgte Christen „Barnabas Fund“ (Pewsey/Südengland) in einer Dokumentation aufmerksam.
Jeder zehnte Einwohner ist Christ
Dabei handelt es sich keineswegs durchweg um winzige Minderheiten. Fast jeder zehnte (9,7 Prozent) der 173,3 Millionen Einwohner in den 20 Ländern der Region – von Marokko im Westen bis Oman im Osten (einschließlich Israel und den Palästinensergebieten) – ist Christ. Den höchsten Anteil weist der Libanon auf, wo 39,3 Prozent der 4,3 Millionen Einwohner Christen sind. In Kuwait leben unter den 2,8 Millionen Einwohnern 430.000 Christen; das sind 15,3 Prozent. Jeweils um die zehn Prozent sind es in Ägypten (83,6 Millionen Einwohner) und Syrien (22,5 Millionen). Unter 0,1 Prozent liegt der Anteil der Christen im Jemen (24,8 Millionen Einwohner), Marokko (32,3 Millionen) und der Türkei (74,7 Millionen). In der Islamischen Republik Iran mit 74,8 Millionen Einwohnern leben nach Schätzungen von Barnabas Fund etwa eine Million Christen – 1,3 Prozent. Damit ist ihr Anteil dort ebenso hoch wie im benachbarten Irak (31,2 Millionen Einwohner). Im strikt islamischen Saudi-Arabien sind 5,4 Prozent der 26,5 Millionen Einwohner Christen – fast ausschließlich Beschäftigte aus dem Ausland. Ähnliches gilt für die Golfstaaten: Die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen christlichen Bevölkerungsanteil von 8,8 Prozent; in Katar sind es 8 und in Bahrain 6,6 Prozent.
Syrien: Christen zwischen den Fronten des Bürgerkriegs
Das Hilfswerk beschreibt die Situation der Christen in den einzelnen Ländern der Region. So würden sie in Syrien zwischen den Fronten des Bürgerkriegs zerrieben. Wenn das Regime von Präsident Baschar al-Assad falle und die Macht in islamistische Hände übergehe, könnten sich die Feindseligkeiten gegenüber Christen noch verschärfen. Auch im relativ friedlichen Libanon seien im Kräfte am Werk, die die Sicherheit der Kirchen auf längere Sicht gefährdeten. Die Kirchen verlören an Einfluss, und der Islam werde immer stärker, auch durch extremistische Kräfte wie die radikal-islamische Bewegung Hisbollah (Partei Allahs).
Diskriminierungen in der Türkei
Auch in der Türkei leide die christliche Minderheit unter Diskriminierungen und vereinzelten gewalttätigen Übergriffen, so Barnabas Fund. Im Heiligen Land seien Christen zwar kaum von den Unruhen des Arabischen Frühlings berührt, doch hätten sie besonders im von der radikal-islamischen Hamas-Bewegung regierten Gaza-Streifen unter Gewalt und Diskriminierung zu leiden. Schwierig seien die Lebensbedingungen auch für Christen im Westjordanland.
Islamisten bedrohen Christen in Nordafrika
In Nordafrika habe der Arabische Frühling neue Bedrohungen für Christen gebracht. Vielerorts seien islamistische Kräfte an die Macht gekommen wie etwa in Ägypten, Tunesien und Libyen. Auch in Marokko und Algerien gingen Christen trotz einer relativ stabilen politischen Lage gefährlichen Zeiten entgegen. Auf der Arabischen Halbinsel sei die Zahl einheimischer Christen oft sehr klein. Saudi-Arabien und Jemen zählen zu den restriktivsten islamischen Ländern. Auch in den Golfstaaten seien vor allem einheimische Konvertiten gefährdet. Diese Christen könnten sich meist nur im Geheimen treffen.
Wie lange bleibt Jordanien friedlich?
Im Iran wachse die Zahl der Konvertiten zum Christentum trotz massiver staatlicher Verfolgung und Bedrohung. Im Irak sei die christliche Minderheit besonders seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003 massiven Anschlägen ausgesetzt. Hunderttausende seien aus ihrer Heimat geflüchtet. Jordanien werde bisher als vergleichsweise sicheres und friedliches Land für Christen angesehen. Trotzdem könne auch dort die Abkehr vom Islam zum Verlust von Bürgerrechten, Freiheiten, Familienausschluss und Bedrohungen führen. Bisher sei es jedoch auch durch den Einfluss von König Abdullah II. gelungen, die „islamistische Welle“ aufzuhalten. Doch der anhaltende Flüchtlingszustrom aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien könne den Staat destabilisieren, so Barnabas Fund.