09.07.2012

Ägypten: Kopten fühlen sich zunehmend bedroht

"Niemand traut sich mit einem Brustkreuz um den Hals auf die Straße"

Ägypten: Kopten fühlen sich zunehmend bedroht

"Niemand traut sich mit einem Brustkreuz um den Hals auf die Straße"

Osnabrück/Göttingen - Die koptischen Christen in Ägypten fühlen sich nach Darstellung des Oberhaupts der koptischen Kirche in Deutschland, Bischof Anba Damian, zunehmend bedroht. Die Situation in Ägypten sei gegenwärtig "bedrohlicher als vor der Revolution", sagte der Bischof am Montag der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Viele Kopten wollten ihr Land verlassen.

Zwar seien die Kopten auch unter dem im Februar 2011 gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak Diskriminierungen ausgesetzt gewesen, fügte Damian hinzu. Aber "inzwischen traut sich niemand mehr mit einem Brustkreuz um den Hals auf die Straße". Die Aussagen des neuen Präsidenten Mursi hätten bisher zwar beruhigend und friedensstiftend geklungen. "Die Vergangenheit hat uns aber gezeigt, dass die Versprechungen seiner Partei der Muslimbrüder keine Gültigkeit besitzen."

Hoffnung auf die neue Verfassung

Große Hoffnungen setzen die Kopten dem 55-Jährigen zufolge auf die neue Verfassung. In der bisherigen Version ist der Islam als Staatsreligion festgeschrieben. "Es braucht den Zusatz, dass andere Religionen nach ihrem jeweiligen Gesetz und nicht nach dem islamischen Recht behandelt werden", forderte Damian.

Unterdessen teilte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) mit, dass die ägyptischen Christen am Wochenende als Reaktion auf die neue Machtstellung der "Muslimbruderschaft" die "Koptische Bruderschaft" gegründet hätten. Die neue Organisation verstehe sich als Gegengewicht zur Muslimbruderschaft und wolle vor allem Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen an Kopten dokumentieren und öffentlich machen.

Westerwelle soll sich für Kopten einsetzen

Die Menschenrechtsorganisation forderte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf, sich bei seinem Treffen mit Ägyptens Staatspräsidenten Mohamed Mursi für mehr Rechte für Kopten und Beduinen einzusetzen. "Wenn es der neue ägyptische Präsident mit seiner Botschaft ernst meint, ein Staatschef aller Ägypter sein zu wollen, dann muss er mehr für die Rechte der Kopten tun und nicht nur einen Kopten zum Minister ernennen", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Montag in Göttingen.

"Trotz der beschwichtigenden Äußerungen Mursis sind die Kopten in Ägypten sehr besorgt", berichtete Delius. Denn Mursi habe ihnen während seines Wahlkampfes Verrat an der Revolution vorgeworfen, wenn sie für seinen Gegenkandidaten Ahmed Schafik stimmen würden.
"Kopten wollen nicht nur besseren Schutz, sondern vor allem mehr Rechte." So fordern sie die Beachtung der neuen Regeln zum Neubau und zur Renovierung von Kirchen, mehr Gleichstellung mit Muslimen und Gerechtigkeit im Alltag sowie die Einführung eines zivilrechtlichen Scheidungsrechts.

Quelle: KNA