21.06.2012

Deutschland: "Umgang mit den Entfremdeten"

EKD-Kulturbeauftragte warnt vor Schicksalsgläubigkeit, Kirchen sollen „dem grassierenden Fatalismus der Menschen begegnen“

Deutschland: "Umgang mit den Entfremdeten"

EKD-Kulturbeauftragte warnt vor Schicksalsgläubigkeit,

Kirchen sollen „dem grassierenden Fatalismus der Menschen begegnen“

 

Karlsruhe (idea) – Vor einer weltweit wachsenden Schicksalsgläubigkeit hat die EKD-Kulturbeauftragte, Petra Bahr (Berlin), gewarnt. Darunter versteht man die Überzeugung, dass ein Lebensweg bzw. bestimmte Ereignisse im Leben eines Menschen festgelegt sind und man nichts daran ändern kann. Bahr sprach am 20. Juni in Karlsruhe bei einem Empfang der badischen Landeskirche und der katholischen Erzdiözese Freiburg für die Mitglieder der höchsten Bundesgerichte zum Thema „Salafisten, Atheisten und Co“. Dabei vertrat sie die Ansicht, dass die größten Herausforderungen für die Kirchen „nicht die radikalen religiösen Strömungen oder die kämpferischen Laizisten“ seien. Letztere fordern eine striktere Trennung von Kirche und Staat. Zentrale kirchliche Aufgabe sei es vielmehr, „dem grassierenden Fatalismus der Menschen, die mitten in den drohenden Katastrophen leben, zu begegnen“. Angst, Unsicherheit und Überforderung schürten „das Feuer einfacher Weltbilder und schlichter Lösungen“. Den Erfolg militanter muslimischer Strömungen unter Jüngeren führt Bahr auf ein „Versagen der Kirchen und Moscheegemeinden zurück, die diese jungen Menschen schon lange nicht mehr erreichen“. Die Kulturbeauftragte plädierte für ein „lebendiges Christentum, das nicht beleidigt auf seine Bestände pocht, sondern geistliche Phantasie entwickelt für den Umgang mit den Entfremdeten“.

„Antiklerikale Bewegung“ ist nicht liberal

Bahr verurteilte zugleich den Wunsch, die Religion aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Die „antiklerikale Bewegung“ in Deutschland sei nicht liberal, wenn es um die Freiheit anderer gehe. Die Religionsfreiheit werde vielmehr als Freiheit missverstanden, die „erst da entsteht, wo einen keine Religion mehr behelligt, weder in der Schule, noch an anderen öffentlichen Orten, auch nicht durch kirchliche Feiertage oder den Rhythmus des Sonntags“. Im Gewand einer „kämpferisch-aufklärerischen Weltanschauung“ verberge sich eine Intoleranz, „die für Religionsfreiheit streitet, aber dem Anspruch nach gerade die Neutralität des Staates gegenüber den religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen seiner Bürger unterläuft“.