01.09.2012

Tadschikistan: Strafen für religiöse Aktivitäten

In das Verwaltungsstrafgesetz von Tadschikistan wurden kürzlich drei neue Artikel aufgenommen, die Strafen für die Verletzung des restriktiven Religionsgesetzes vorsehen. Diese neuen Strafbestimmungen, die am 2. Juli in Kraft getreten sind, richten sich gegen das Entsenden tadschikischer Staatsbürger ins Ausland zum Erwerb religiöser Bildung, gegen das Predigen und Lehren religiöser Doktrinen außerhalb der Räumlichkeiten zugelassener Religionsgemeinschaften und gegen Kontakte mit religiösen Organisationen im Ausland. Eine andere neue Bestimmung stellt es unter Strafe, wenn religiöse Organisationen etwas tun, das nicht spezifisch in ihren Statuten erwähnt ist. Erstmals wurde die Verantwortung für die Verhängung der Strafen für derartige „Vergehen“ dem staatlichen Komitee für religiöse Angelegenheiten übertragen, das diese ohne vorangegangene polizeiliche Ermittlungen oder Gerichtsverfahren verhängen kann. Die Strafverfügungen können allerdings vor Gericht angefochten werden. Ein unabhängiger Rechtsexperte betonte, dass Strafverfügungen dieser Art nicht Angelegenheit des Komitees für religiöse Angelegenheiten sein, sondern in die Zuständigkeit der Gerichte fallen sollten. „Wir fühlen uns wie kleine Kinder, die für jeden Schritt um Erlaubnis fragen müssen“, erklärte ein Protestant gegenüber Forum 18.

Die neuen Strafen sind Geldstrafen von zwischen 30 und 100 „Finanzindikatoren“. Ein Finanzindikator wurde im Budget 2012 mit 40 Somonis festgelegt, das sind etwa 7 Euro. Diese Strafen können also beträchtliche Höhen erreichen, insbesondere für Arbeitslose und Personen in ärmeren, ländlichen Gegenden. Nach offiziellen Zahlen von Anfang 2012 beträgt das durchschnittliche Monatsgehalt 530 Somonis. Fachleute in Duschanbe erklärten allerdings gegenüber Forum 18, dass der Durchschnittsverdienst in vielen Gebieten bei 200 Somonis liegen dürfte.

Die neuen Geldstrafen nach dem Verwaltungsstrafrecht sind Teil der sich ständig verschärfenden Kontrolle des Staates über alle religiösen Aktivitäten. Das restriktive neue Religionsgesetz trat im April 2009 in Kraft. Im Januar 2011 wurde ein neues „Vergehen“ in das Verwaltungsgesetzbuch aufgenommen, das die „Verletzungen des Gesetzes über Herstellung, Import, Export, Verkauf und Vertrieb religiöser Literatur und anderer Objekte und Materialen mit religiöser Bedeutung“ unter Strafe stellt. Im Juli 2011 traten Novellen zum Religionsgesetz 2009 in Kraft, die neue Kontrollen für religiöse Bildung bzw. Unterweisung vorsehen.

Mitglieder einer Religionsgemeinschaft, die aus Furcht vor staatlichen Repressalien nicht namentlich genannt werden wollen, erklärten am 18. August gegenüber Forum 18, dass sie, obwohl im letzten Jahr nach der Einführung der neuen Bestimmungen zum Religionsgesetz keine Gemeinschaft bestraft wurde, dennoch befürchten, dass das staatliche Komitee und andere Behörden beginnen werden, Strafen zu verhängen. Mitglieder verschiedener protestantischer Gemeinschaften erklärten gegenüber Forum 18, dass die neuen verwaltungsrechtlichen Strafen ihre Rechte und ihre Religionsfreiheit verletzen, ebenso wie die Strafen nach dem Religionsgesetz von 2009 und dessen Ergänzungen von 2011. Ein Leiter einer protestantischen Gemeinschaft nannte die Änderungen des Religionsgesetzes und des Verwaltungsgesetzbuchs „absurd“ und „drakonisch“, und erklärte, dass derartige Gesetze „alle ohne Ausnahme stören“. „Unter dem Deckmantel der Bekämpfung des religiösen Extremismus wenden die tadschikischen Behörden harte Methoden an. Die Gesetzesänderungen stellen eine direkte Verletzung der Rechte der religiösen Minderheiten und insbesondere der Christen dar“, erklärte der Leiter. „Es ist nicht klar, was die Behörden im Bereich der religiösen Bildung von den Christen wollen. Es gibt keine offiziell anerkannten christlichen Bildungseinrichtungen in Tadschikistan.“ Damit nimmt der protestantische Leiter Bezug auf den neuen Artikel 474-2 des Verwaltungsgesetzbuchs, der Geldstrafen von 50 bis 100 Finanzindikatoren für diejenigen vorsieht, die ohne staatliche Genehmigung religiöse Bildung im Ausland erwerben. Nach Artikel 8 des Religionsgesetzes dürfen tadschikische Staatsbürger religiöse Bildung nur an staatlich genehmigten religiösen Bildungseinrichtungen erwerben. Mehrere nicht muslimische Gemeinschaften gaben zu bedenken, dass sie Schwierigkeiten mit diesem Gesetz bekommen könnten, da sie über keine staatlich genehmigten religiösen Bildungseinrichtungen in Tadschikistan verfügen. Mavlon Mukhtarov vom staatlichen Komitee für religiöse Angelegenheiten versucht zu beruhigen und erklärte, man würde auf Ansuchen für Christen Genehmigungen ausstellen, die eine Ausbildung im Ausland absolvieren wollen.

Artikel 474-3 des Verwaltungsgesetzbuchs ist ebenfalls neu und sieht Strafen für religiöse  Schulungen und Predigten in Vorschulen, Schulen, Berufsschulen, Wohnhäusern oder Wohnungen von Privatpersonen vor. Dafür drohen Strafen von 30 bis 40 Finanzindikatoren.

Der ebenfalls neue Artikel 474-4 sieht Strafen für nicht genehmigte internationale Kontakte von Religionsgemeinschaften vor. Dies betrifft registrierte Gemeinschaften, die mit staatlicher Genehmigung internationale Kontakte unterhalten dürfen. Den nur auf lokaler Ebene zugelassenen kleineren Gemeinschaften sind internationale Kontakte überhaupt verboten.    

 

Der Pastor einer protestantischen Gemeinde erklärte am 22. August gegenüber Forum 18: „Wir versuchen so gut wie möglich, das Gesetz nicht zu verletzen und geben dem staatlichen Komitee für religiöse Angelegenheiten verschiedenste Informationen über uns und unsere Tätigkeit und unsere internationalen Kontakte, damit wir eine gute Beziehung haben können. Manche Beamte nehmen das zur Kenntnis und manchmal kann es nützlich sein“. Doch der Pastor fügte hinzu: „Insgesamt stehen wir unter großem Druck, mit dem Staat zu kooperieren. Das Gesetz ist sehr restriktiv.“

Nach dem Grund für die Einschränkungen befragt, die vielen Gläubigen Sorge bereiten, z.B. weshalb man für den Besuch religiöser Veranstaltungen im Ausland eine Genehmigung benötigt, erklärte Mavlon Mukhtarov vom staatlichen Komitee für religiöse Angelegenheiten: „Das ist, weil wir die Verbreitung des religiösen Extremismus stoppen wollen.“ Gleichzeitig beruhigte er, man würde Genehmigungen ausstellen und nur diejenigen bestrafen, die extremistische Literatur importieren und verbreiten. Faredun Hodizoda, ein unabhängiger Rechtsexperte aus Duschanbe erklärte, dass der Staat versucht, die Verbindungen mit den radikalen islamischen Organisationen in den arabischen Ländern zu unterbinden, dass dies jedoch nicht durch solche Gesetze geschehen sollte, die letztlich nur dazu führen, dass diejenigen, die Wert auf solche Verbindungen legen, in den Untergrund gehen.

Hikmatullo Sayfullozoda von der Islamischen Wiedergeburtspartei (IRP) erklärte am 17. August, dass die Gesetzesänderungen und neuen Strafen für die meisten Muslime nichts an der Realität ändern würden. Sie würden ihre Kinder weiterhin den Islam lehren, ihre Kinder weiter in die Moscheen schicken, so wie sie es auch nach Einführung neuer Verbote 2011 getan haben. Sayfullozoda geht davon aus, dass den Behörden bewusst ist, dass diese Regelungen – wie auch andere Gesetze – von vielen nicht eingehalten oder umgangen werden und dass sie vor allem erlassen wurden, um dem Staat ein Werkzeug in die Hand zu geben, womit er nicht genehme Personen und Organisationen zu jeder gewünschten Zeit bestrafen kann.

Quelle: Forum 18

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA