23.09.2012

Usbekistan: Lasst ihnen nur einen Löffel, einen Becher und eine Matratze

Die usbekische Polizei führt weiterhin Razzien in Privatwohnungen durch und beschlagnahmt religiöse Literatur. Danach verhängen die Gerichte Geldstrafen gegen die Opfer der Razzien. Am 8. August und 11. September beschlagnahmten die Gerichtsvollzieher auch Gebrauchsgegenstände wie einen Kühlschrank, eine Waschmaschine und einen Esstisch, sowie einen DVD Player und ein Klavier. Die Opfer dieser beiden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen waren Artur und Irina Alpayev, die einer nicht registrierten Baptistengemeinde angehören. Die Gerichtsvollzieher drohten dem Ehepaar, weitere Gegenstände zu beschlagnahmen, sollten sie die vom Strafgericht der Stadt Navoi am 9.Juni wegen „illegalem“ Besitzes christlicher Bücher in ihrer Privatwohnung gegen sie verhängte Geldstrafe nicht bezahlen. Der Befehl zur Beschlagnahme kam vom leitenden Gerichtsvollzieher Laziz Isayev, der seinen Untergebenen befahl, nur einen Löffel, einen Becher und eine Matratze pro Familienmitglied zurückzulassen. Dies berichtete Alpayev gegenüber Forum 18. Weiter wurden die Gerichtsvollzieher von ihrem Vorgesetzten angewiesen, eine Inventarliste des Eigentums von Nikolai und Larissa Serin zu erstellen, einem Ehepaar, das derselben nicht registrierten Baptistengemeinde angehört. Anlässlich der Bestandsaufnahme zur Ausführung dieses Befehls erließen sie ein Verfügungsverbot über die Couch, zwei Lehnstühle und den Kühlschrank des Ehepaars, nahmen diese jedoch mit. Als sie die Gegenstände am 11. September abholen wollten, war das Ehepaar verreist. Die Gerichtsvollzieher teilten sowohl Familie Alpayev als auch Familie Serin mit, dass die beschlagnahmten Gegenstände für die Deckung der gegen sie verhängten Geldstrafen nicht ausreiche und drohten zurückzukehren, um eine detailliertere Inventarliste der zurückgebliebenen Gegenstände zu erstellen.

Die Schwierigkeiten für die Familien hatten am 22. April begonnen, als die Wohnung der Familie Alpayev Ziel einer Razzia war, bei der christliche Literatur, darunter eine Bibel, eine Kinderbibel und ein Gesangbuch, beschlagnahmt wurden. Das Ehepaar Serin war gerade zu Besuch, so nahm die Polizei die Personaldaten der beiden auf und nahm noch am selben Tag eine Razzia in deren Wohnung vor, bei der ebenfalls christliche Bücher beschlagnahmt wurden.  

Am 9. Juni verhängte Richter Oltinbek Mansurov vom Strafgericht der Stadt Navoi gegen jeden der Männer eine Geldstrafe von 50 monatlichen Mindestlöhnen und gegen die Frauen eine Strafe von je 40 monatlichen Mindestlöhnen. Diese exzessiven Strafen gehen weit über die finanziellen Möglichkeiten der Familien hinaus, die sich überdies aus Prinzip weigern, diese ungerechten Strafen zu bezahlen.

Die bei der Razzia beschlagnahmten  Bücher wurden zunächst zur „Expertenanalyse“ an das staatliche Komitee für religiöse Angelegenheiten weitergeleitet und im Anschluss daran mit der Begründung zurückbehalten, dass sie nur zur Verwendung innerhalb einer registrierten Religionsgemeinschaft bestimmt seien. Die sogenannte Expertenanalyse wird routinemäßig als Begründung vorgegeben, um willkürlich Bücher zu beschlagnahmen.

Abgesehen von den Razzien und Geldstrafen kommt es auch immer wieder zu Angriffen auf Religionsgemeinschaften durch die staatlich gelenkten Medien. So behauptete das usbekische Staatsfernsehen auf seinem Kanal 1, extremistische Kräfte würden das Interesse der Menschen an Büchern für ihre Zwecke missbrauchen. Man würde extremistische Ideologien in religiöse Bücher infiltrieren. Mehrere Protestanten und russisch orthodoxe Christen wurden in den Medien fälschlicherweise als Zeugen Jehovas bezeichnet. Missionare werden generell als Gefahr für die Öffentlichkeit dargestellt.

Quelle: Forum 18 - Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA