12.04.2018

Ägypten: Menschenrechtler reagieren mit Sorge auf Todesurteile

Die 36 Verurteilten sollen an Anschlägen auf Christen beteiligt gewesen sein

Kairo/Frankfurt am Main (idea) – Mit Sorge hat die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) auf die jüngsten Todesurteile in Ägypten reagiert. Ein Militärgericht hatte gegen 36 Angeklagte die Todesstrafe wegen Anschlägen gegen die christliche Minderheit verhängt. Das Gericht hält es für erwiesen, dass die Männer an drei Bombenangriffen im Dezember 2016 und April 2017 auf Kirchen in Kairo, Tanta und Alexandria beteiligt waren. Dabei starben mehr als 70 Menschen – meist koptische Christen. Die Attentate hatte die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) für sich beansprucht. Insgesamt waren 48 Personen angeklagt, von denen zwölf auf der Flucht sind. Der Großmufti – er leitet das Rechtsgutachtergremium des Zentrums für islamische Rechtsfragen – muss die vorläufigen Urteile noch bestätigen, seine Entscheidung ist aber nicht bindend.

Es ist nicht sicher, „dass die tatsächlich Schuldigen zum Tode verurteilt wurden“

Die IGFM begrüßt zwar, dass die ägyptische Regierung Mörder von Christen zur Rechenschaft ziehen will. Allerdings seien die Umstände, unter denen das geschehe, besorgniserregend, erklärte der Ägypten-Experte der Menschenrechtsorganisation, Max Klingberg (Frankfurt am Main), gegenüber idea. Die Verfahren der Miltärgerichte seien berüchtigt „für die völlige Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze“. Unter Folter erzwungene Geständnisse würden als „Beweismittel“ zugelassen und Urteile im Minutentakt gefällt, so Klingberg. Es sei alles andere als sicher, „dass hier die tatsächlich Schuldigen zum Tode verurteilt wurden“. Ägypten hat sich nach Auffassung der IGFM unter der Präsidentschaft des früheren Geheimdienst- und Militärchefs Abdel Fattah al-Sisi in einen Folterstaat verwandelt, der an Schrecken das Regime des früheren Diktators Hosni Mubarak noch übertreffe.

Die eigentlichen Ursachen der Übergriffe auf Christen geht das Regime nicht an

Die „brachiale Willkür“ des Staatsapparates richte sich auch gegen Menschenrechtler und die gesamte ägyptische Demokratiebewegung, „Die eigentlichen Ursachen für die Übergriffe auf Christen – die islamistische Hetze in Schulen, Universitäten und in radikalen Moscheen – geht das Regime unter al-Sisi nicht an“, so Klingberg. In Ägypten bilden die schätzungsweise bis zu zehn Millionen orthodoxen Kopten die größte Kirche. Hinzu kommen etwa 300.000 Mitglieder der koptisch-evangelischen Kirche, 200.000 Katholiken, mehr als 100.000 Mitglieder von Pfingstgemeinden, Brüdergemeinden und anglikanischen Gemeinden sowie 40.000 Griechisch-Orthodoxe. Rund 90 Prozent der 94,8 Millionen Einwohner Ägyptens sind Muslime.