15.06.2018

Deutschland: Deutscher Bundestag beschließt Familiennachzug für Flüchtlinge

1.000 Angehörige dürfen künftig pro Monat einreisen

Berlin (idea) – Ab August dürfen Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ihre engsten Familienangehörigen wieder nach Deutschland holen. Das hat der Deutsche Bundestag am 15. Juni beschlossen. Union und SPD hatten 2016 wegen der hohen Zahl von Asylanträgen den Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt. Die Neuregelung der Großen Koalition sieht nun vor, dass pro Monat 1.000 enge Angehörige dieser Flüchtlingsgruppe – etwa Ehepartner, minderjährige Kinder oder die Eltern Minderjähriger – einreisen dürfen. Zusätzlich können Härtefälle geltend gemacht werden. 370 der Bundestagsabgeordneten stimmten für das Neuregelungsgesetz, 279 dagegen und drei enthielten sich.


Intensive Debatte im Neuregelungsgesetz


Der Abstimmung war eine rege Debatte vorangegangen. Kritik übten Abgeordnete der FDP, der Linkspartei, der Grünen und der AfD. Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Gökay Akbulut, bezeichnete den Gesetzesentwurf der Koalition als verfassungswidrig, weil er gegen den im Grundgesetz verankerten Schutz der Familie verstoße. Dieser gelte auch für Flüchtlinge. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, erklärte, das Gesetz produziere Härtefälle und lasse viele Menschen im Ungewissen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, forderte die Abschaffung des Familiennachzugs und die Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen. Der innenpolitische Sprecher der Union, Mathias Middelberg, wies die Kritik an der Neuregelung zurück: „Bei der Asylpolitik werden wir nicht alle Probleme auf deutschem Boden lösen können.“ Deutschland habe 2017 über mehr als 500.000 Asylanträge entschieden. „Wir tragen mehr als die Hälfte der Verantwortung in Europa. Da müssen wir uns nicht vorwerfen lassen, unchristlich zu sein“, sagte der CDU-Politiker.


Rekowski: Familiennachzug für Integration unerlässlich


Kritik an der Neuregelung gab es im Vorfeld der Abstimmung auch von Seiten der großen Kirchen. Aus Sicht des Vorsitzenden der EKD-Kammer für Migration und Integration, des rheinischen Präses Manfred Rekowski (Düsseldorf), ist eine Einschränkung des Familiennachzugs nicht förderlich für die Integration: „Wer nicht in seine Heimat zurückkehren kann, beispielsweise weil dort ein Bürgerkrieg herrscht, muss die Möglichkeit erhalten, sich in unsere Gesellschaft integrieren zu können. Auch eine Heimat auf Zeit muss Heimat sein.“ Dazu sei die Familienzusammenführung unerlässlich. Der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro-Asyl, Günter Burkhardt (Frankfurt am Main), hatte an den Bundestag appelliert, gegen das Gesetz zu stimmen. Das Grundrecht auf Familie werde ausgehebelt: „Statt des Rechts auf Familie heißt es ab dem 1. August: Glücksrad Familiennachzug mit Gewinnchancen für wenige.“ Die Auswahlkriterien und die Ausgestaltung des Verfahrens für die geschätzt 60.000 Betroffenen seien nicht ersichtlich.