19.05.2018

Russland: Verfolgung wegen Missionstätigkeit

- bringt Entscheidung des Verfassungsgerichts eine Verbesserung?

Aufgrund der im Juli 2016 eingeführten Änderung des Religionsgesetzes, durch das die Möglichkeit der Weitergabe von Glaubensüberzeugungen massiv eingeschränkt wurde, sind sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer von Strafverfolgung wegen „Missionstätigkeit“ betroffen. Das vage formulierte Gesetz wurde sowohl vor dem russischen Verfassungsgericht als auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angefochten. Das Verfassungsgericht hat sich zwar geweigert, die Berufung des Baptistenpastors Sergei Stepanov zu prüfen, hat jedoch aufgrund seiner Eingabe eine teilweise Klarstellung der vagen Definition des Begriffs Missionstätigkeit erlassen. Stepanov hatte lediglich eine Einladung zu einem Ostergottesdienst im sozialen Netzwerk VKontake gepostet, die im Zuge der Internetüberwachung vom Geheimdienst FSB gefunden wurde. In der Klarstellung heißt es, dass Informationen über religiöse Veranstaltungen nur dann als Verstoß gelten, wenn sie darauf abzielen, Personen, die noch nicht Mitglieder einer religiösen Organisation sind, anzuwerben. Stepanovs Anwalt, Sergei Chugunov, berichtet, dass in der Berufung zwei Problemkreise angesprochen wurden: erstens, dass die gegen Missionstätigkeit gerichtete Gesetzesänderung von 2016 nicht zwischen Missionstätigkeit und dem legitimen Recht der Bürger unterscheidet, ihre Glaubensüberzeugung als Einzelpersonen weiterzugeben, und die Frage, was eigentlich eine Missionstätigkeit durch eine religiösen Organisation im Sinne des Gesetzes darstellt. Nach der Klarstellung durch das Verfassungsgericht ist dafür die Weitergabe von Informationen über die Doktrin gegenüber Nichtmitgliedern der jeweiligen Gemeinschaft erforderlich, sowie die Absicht, diese Personen als Mitglieder anzuwerben. Nach Ansicht der Moskauer NGO „Slavic Center for Law and Justice“ bietet die Klarstellung des Verfassungsgerichts eine eindeutige Definition des Begriffs „Missionstätigkeit“, bleibt jedoch bezüglich der persönlichen Weitergabe religiöser Überzeugungen eine eindeutige Antwort schuldig.

In zwei weiteren Fällen haben legal in Russland lebende Ausländer wegen gegen sie verhängter Strafen wegen Missionstätigkeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt. Ausländer machen bisher nur einen kleinen Anteil der Betroffenen aus, jedoch werden gegen sie höhere Strafen verhängt als gegen Bürger der Russischen Föderation. Diese Verfahren sind noch anhängig und es können Jahre vergehen, bis eine Entscheidung gefällt wird.

Bisher wurden Personen verschiedener Nationalität wegen „Missionstätigkeit durch Ausländer (Verwaltungsgesetzbuch, Artikel 5.26, Teil 5) verurteilt, darunter US-Bürger, Südkoreaner, Ukrainer und Israelis. Eine bemerkenswerte Personengruppe, gegen die wegen Missionstätigkeit ermittelt wird, sind afrikanische Studenten an russischen Universitäten, darunter Bürger von Ghana, Zimbabwe, Malawi, Namibia, Swasiland, der Elfenbeinküste sowie der Demokratischen Republik Kongo. Gegen einige von ihnen sind Ausweisungsbefehle ergangen. Anfang 2017 leiteten die Behörden Untersuchungen geben einige afrikanische Studenten ein, die die Pfingstgemeinde Botschaft Jesu in Nizhny Novgorod besuchen. Sie waren auf Videos zu sehen, in denen ausländische Studenten zu kirchlichen Veranstaltungen eingeladen wurden oder hatten Videos auf ihren Seiten in den sozialen Medien gepostet. Eine Studentin aus Zimbabwe, Kudzai Nyamarebvu, wurde für schuldig befunden, die Visabestimmungen verletzt zu haben und ihre Abschiebung angeordnet. Sie durfte dann ihre Ausreise verschieben, um ihren Studiengang abzuschließen. Ermittlungen gegen andere afrikanische Studenten gehen weiter.

Rechtsanwälte haben die Klarstellung des Verfassungsgerichts trotz der verbleibenden Unsicherheiten begrüßt. „Dank der neuen Definition hoffen wir, dass sich die Einstellung der Gerichte zu Missionstätigkeit radikal ändern wird“, erklärte Vladimir Ozolin, der Rechtsanwalt des Bundes der Pfingstgemeinden.

Ende 2017 konnte Pastor Victor-Immanuel Mani, ein mit einer Russin verheirateter indischer Staatsbürger mit in Russland geborenem Kind nach Russland zurückkehren. Er war der erste Ausländer, dessen Ausweisung wegen Missionstätigkeit nach der Gesetzesänderung von 2016 angeordnet wurde. Im November 2017 hat der Oberste Gerichtshof die Verfügung der Ausweisung wegen seiner familiären und sozialen Bindung an die Russische Föderation aufgehoben.

Quelle: Forum 18, Oslo

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA