31.10.2018

Pakistan: Christen vor Angriffen durch Islamisten schützen

Nach Bibi-Freispruch: Menschenrechtler fürchten schlimme Racheakte

Islamabad (idea) – Nach dem Freispruch der Katholikin Asia Bibi in Pakistan sorgen sich Menschenrechtler um die christliche Minderheit des Landes. Der Oberste Gerichtshof in Islamabad hatte die sofortige Freilassung der 2010 wegen angeblicher Blasphemie zum Tode verurteilten fünffachen Mutter angeordnet. Daraufhin kam es am 31. Oktober zu Protesten von Islamisten in mehreren Städten des Landes. Bereits im Vorfeld hatte die radikalislamische Partei Tehreek-e-Labaik Pakistan (TLP) den Richtern im Falle einer Freilassung mit „furchtbaren“ Konsequenzen gedroht.

„Hilfsaktion Märtyrerkirche“: Für die Christen Pakistans beten

Der Missionsleiter der „Hilfsaktion Märtyrerkirche“ (HMK), Manfred Müller (Uhldingen), sagte der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, man freue sich sehr für Asia Bibi und ihre Familie. Gleichzeitig rief er dazu auf, für die Christen in dem Land zu beten. Der Zorn der Islamisten über die Freilassung könnte sich gewaltsam entladen: „Es ist jetzt eine sehr gefährliche Zeit. Die Wut kann jeden Christen treffen.“ Der Mut der drei Richter, die Bibi freigesprochen haben, habe ihn überrascht: „Sie gehen ein hohes Risiko ein.“ Die drei Muslime – der Oberste Richter Mian Saqib Nisar sowie die Richter Asif Saeed Khosa und Mazhar Alam Khan Miankhel – müssten wegen ihrer Gradlinigkeit nun fürchten, bei islamistischen Racheakten ermordet zu werden. Wie Nisar in der 56-seitigen Begründung schreibt, habe die Staatsanwaltschaft die angebliche Blasphemie nicht zweifelsfrei beweisen können. Gemäß Paragraf 295 C des pakistanischen Strafgesetzbuchs steht auf Gotteslästerung die Todesstrafe. Es entscheide aber nicht ein Einzelner oder ein Mob, ob eine Handlung unter diesen Paragrafen fällt, betonte der Richter.

IGFM: Christen besonders nach Freitagsgebeten schützen

Ähnlich wie Müller äußerte sich der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM/Frankfurt am Main), Martin Lessenthin. Um die pakistanischen Christen zu schützen, sei vor allem nach den Freitagsgebeten umfassender polizeilicher Schutz unverzichtbar, sagte er idea: „Insbesondere Kirchen und christliche Schulen sind gefährdet.“ Die pakistanische Regierung müsse ihre staatlichen Organe und die Zivilgesellschaft konsequent vor der Willkür und Selbstjustiz islamischer Fundamentalisten schützen. Muslimische Extremisten hätten bereits einen Teil der Institutionen infiltriert: „Sie streben einen religiös gleichgeschalteten Staat an, in dem kein Platz für religiöse Minderheiten und Rechtsstaatlichkeit bleibt.“ Gerade weil das Land eine Atommacht sei, dürften die staatlichen Organe nicht in die Hand von Islamisten fallen.

Prozess war immer wieder vertagt worden

Der Fall hatte international Aufsehen erregt. 2011 war der Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, von seinem Leibwächter Mumtaz Qadri erschossen worden, weil er sich für die Begnadigung von Bibi und eine Reform des Blasphemiegesetzes eingesetzt hatte. Der Attentäter wurde zwar zum Tode verurteilt und gehängt, wird aber seitdem verehrt. Eine 2014 gebaute Moschee trägt nach IGFM-Informationen seinen Namen. Der Richter, der Qadri zum Tode verurteilt hatte, musste laut IGFM aufgrund der Bedrohung durch Extremisten mit seiner Familie ins Exil nach Saudi-Arabien gehen. Seit das Oberste Gericht Pakistans im Juli 2015 eine Berufung gegen das Urteil zuließ, war der Prozess immer wieder vertagt worden. Von den 174 Millionen Einwohnern Pakistans sind etwa 95 Prozent Muslime, zwei Prozent Christen sowie zwei Prozent Hindus.