12.11.2019

Jemen: Wenn Konvertiten auffallen, droht ihnen die Ermordung

„Eine solche Hingabe des Glaubens habe ich noch nie erlebt“

Schwäbisch Gmünd (idea) – Das Leid der Bevölkerung in Jemen ist aufgrund des andauernden Krieges riesig. Aber auch dort erreicht Gott Menschen, und Muslime werden Christen. Das sagte der Mitarbeiter eines Werkes – sein Name kann aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden – auf dem 6. ökumenischen Kongress „Christenverfolgung heute“ in Schwäbisch Gmünd. Er habe kürzlich an einem Treffen mit Leitern der jemenitischen Untergrundkirche teilgenommen. Es handle sich bei diesen Christen immer um frühere Muslime, die konvertiert seien: „Eine solche Hingabe und eine solche Tiefe des Glaubens habe ich noch nie erlebt.“ Es sei bei dem Treffen auch um die Schulung von Konvertiten-Leitern gegangen. Sie hätten wissen wollen, wie man Kirche lebe. Niemand von ihnen habe jemals ein Kirchengebäude von innen gesehen. Die Christen müssten immer sehr vorsichtig sein. Die Sunniten würden Konvertiten sofort töten, die schiitischen Huthi-Rebellen sperrten sie „nur“ ein. Genaue Zahlen, wie viele Christen es in dem Land auf der arabischen Halbinsel gebe, seien nicht vorhanden. Die Konvertiten selbst sprechen ihm zufolge von „mehreren Tausend“. Realistisch sei eine Zahl im oberen vierstelligen Bereich, wie er gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea ergänzte. Es handle sich damit um die wohl zurzeit am schnellsten wachsende christliche Gemeinde in der arabischen Welt.

„Die Saudis wissen ja nicht, was sie tun“

Die Christen im Jemen ließen auch dann nicht von ihrem Glauben ab, wenn sie eingesperrt würden. Ein Häftling etwa schmuggle über seine Ehefrau kurze Nachrichten aus dem Gefängnis. Er ermutige darin die anderen christlichen Leiter, standhaft zu bleiben. Anfang November habe er aber geschrieben, dass die Situation für ihn immer schwieriger werde, und er habe um Unterstützung gebeten: „Betet, dass ich durchhalte!“ Der Mitarbeiter berichtete ferner, dass er auf dem jemenitischen Leiter-Treffen auch mit einem Verantwortlichen gesprochen habe, der gerade seinen ältesten Sohn verloren hatte. Ihn habe eine saudi-arabische Bombe getötet. Er habe ihn gefragt, wie er das durchhalte, und habe die Antwort bekommen: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Der Name des Herrn sei gelobt. Ich bete für die Saudis. Sie wissen ja nicht, was sie tun.“

Christen im Jemen nun Teil der Weltweiten Evangelischen Allianz

Den Christen dort sei es wichtig, dass die Welt von ihnen wisse. Seit einem Monat seien Christen im Jemen nun offiziell als Mitglieder der Weltweiten Evangelischen Allianz anerkannt. Für die Konvertiten habe das eine sehr große Bedeutung. Sie wollten nicht unbemerkt sterben. Durch die Zugehörigkeit zu einer großen Organisation steige die Aufmerksamkeit. Wie er weiter sagte, ist das Leid in dem Land „unvorstellbar“. 82 Prozent der Bevölkerung (über 24 Millionen) hungerten. Humanitär betrachtet ist die Situation schlimmer wie die in Syrien und im Irak zusammen. Vor zwei Jahren bereits habe die UNO gesagt, dass es sich um die schlimmste Katastrophe der Welt handle, und habe das auch 2018 und 2019 wiederholt. Ein fünfjähriges Kind habe in seinem Leben bereits durchschnittlich 18.000 Bombenangriffe erlebt. Unter den Christen seien auch gut ausgebildete Jemeniten, etwa Ärzte. Sie bemühten sich, das große Leid in dem Land zu lindern, etwa durch die Betreuung von traumatisierten Kindern oder durch die Verteilung von Wasser und Nahrung sowie den Wiederaufbau von Schulen. Im Jemen hat sich die Lage seit 2015 dramatisch verschlechtert. In dem ärmsten Land der Arabischen Halbinsel liefern sich die sunnitisch geprägte Zentralregierung und schiitische Huthi-Rebellen einen Machtkampf. Eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition fliegt Luftangriffe gegen die Rebellen und unterstützt die Zentralregierung. Der schiitische Iran unterstützt die Huthi. Der Kongress findet vom 10. bis 13. November statt und wird veranstaltet vom Christlichen Gästezentrum Württemberg (Schönblick, Schwäbisch Gmünd) und der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) in Zusammenarbeit mit über 30 christlichen Hilfswerken und Menschenrechtsorganisationen. Mehr als 400 Interessierte nehmen daran teil.