18.11.2019

Kasachstan: Pastoren zu mehrjährigen Kerkerstrafen verurteilt

Drei Pastoren in Abwesenheit verurteilt, endlose Verunglimpfung nicht genehmer Religionsgemeinschaften und Organisationen durch den Staat

Ein Gericht in Almaty hat drei im Exil in den USA lebende Pastoren der staatlich registrierten Neues Leben Gemeinde in der kommerziellen Hauptstadt Almaty in Abwesenheit zu Freiheitsstrafen zwischen vier und fünf Jahren verurteilt. Unter den Verurteilten ist auch der Gründer der Gemeinde Maxim Maximov. Die Berufung gegen das Urteil wurde am 1. November vom Stadtgericht Almaty verworfen. Die drei Pastoren beabsichtigen, Berufung beim Obersten Gerichtshof von Kasachstan in der Hauptstadt Nur-Sultan einzulegen. Das auf das Jahr 2015 zurückgehende nach einer Großrazzia eingeleitete Verfahren, das im Februar 2019 das zuständige Gericht erster Instanz erreichte, ist bereits das dritte Strafverfahren gegen diese christliche Gemeinde bzw. deren Leiter aufgrund einer Reihe wechselnder Anklagepunkte. Maxim Maximov und den beiden anderen Pastoren wurde unter anderem vorgeworfen, die Gemeinde 1991 mit „kriminellen Absichten“ gegründet zu haben und psychologischen und psychotherapeutischen Einfluss verwendet zu haben, um die psychische Gesundheit von Menschen zu schädigen und ihr Eigentum durch Betrug und Missbrauch des Vertrauens der Opfer herauszulocken. Einmal warf die Polizei der Gemeinde sogar vor, Waffen in ihren Räumen zu lagern. Dieser Anklagepunkt wurde allerdings später fallengelassen.

Im November 2018 wurde dem derzeitigen Pastor der Neues Leben Gemeinde, Ivan Kryukov, von der Polizei signalisiert, dass die Probleme enden könnten, wenn man Zahlungen an Beamte leistet, was von Kryukov abgelehnt wurde. Im Februar wurde der Gemeinde mitgeteilt, dass sie keine Probleme mehr hätte, wenn sie mit der Geheimpolizei zusammenarbeitet, was Kryukov ebenfalls ablehnte. Nach dem Urteil wurde dem derzeitigen Pastor von Beamten aus der Hauptstadt mitgeteilt, man würde das Hauptgebäude der Gemeinde nicht anrühren, wenn sich die Mitglieder ruhig verhalten und nicht auf der Straße gegen das Urteil protestieren. Kryukov erklärte, man würde nicht auf der Straße protestieren, sondern die Rechte der Pastoren vor Gericht verteidigen.

Yevgeny Zhovtis vom Kasachischen Internationalen Büro für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit betrachtet die Anklagepunkte gegen die Pastoren und das Urteil, das er gelesen hat, als blanken Unsinn. Abgesehen von den Kerkerstrafen wurden auch Immobilien der Pastoren und Bankguthaben konfisziert. Zwei der beschlagnahmten Immobilien sind allerdings Eigentum der Neues Leben Gemeinde und nicht Privateigentum der Pastoren und werden regelmäßig von der Gemeinde genutzt. Das Hauptgebäude der Gemeinde und drei weitere Gebäude sind seit 2016 durch eine einstweilige Verfügung belastet. Zhovtis charakterisiert das Rechtssystem Kasachstans wie folgt: „Das derzeitige Rechtssystem Kasachstans besteht aus der Geheimpolizei KNB und deren regionalen Außenstellen, dem Innenministerium und seinen regionalen Außenstellen, dem Obersten Gerichtshof, Land- und Bezirksgerichten. Diese alle arbeiten unter strenger politischer Kontrolle als ein einziger Mechanismus zusammen, wie es auch in der Sowjetunion der Fall war. Die einzige Frage ist, wer, wann und aus welchem Grund von diesem Mechanismus verfolgt wird. Zu den potentiell Betroffenen gehören die politische Opposition, unabhängige Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, einige islamische Gruppen und nicht traditionelle neue christliche Gemeinschaften und deren Mitglieder.“ Zhovtis kommentiert weiters, dass Anklagen und Beweismittel vorgelegt werden, um Elemente eines ordentlichen Gerichtsverfahrens vorzutäuschen, während das Ergebnis von vornherein feststeht.

Bereits am 29. Juli 2019, einen Tag nach dem Urteil des Gerichts erster Instanz hieß es auf der Website des Gerichts, die drei Pastoren hätten „regelmäßig sogenannte Gottesdienste abgehalten“ und dabei psychologische Methoden angewendet und die psychische Gesundheit der Opfer geschädigt. Die Neues Leben Gemeinde in Almaty wurde als kriminelles Unternehmen dargestellt, das die psychische Gesundheit der Gemeindemitglieder durch Manipulation schädigt und ihnen betrügerisch Geld herauslockt. Diese Erklärung des Gerichts wurde von den staatlich kontrollieren Medien im ganzen Land weiterverbreitet, wodurch das Ansehen der Neues Leben Gemeinden im ganzen Land geschädigt wurde. Die staatlich kontrollieren Medien haben die Neues Leben Gemeinde in Almaty und anderen Städten und auch andere dem Regime nicht genehme Religionsgemeinschaften immer wieder verleumdet und verächtlich gemacht. Vom Staat finanzierte Antisektenzentren haben etwa der Neues Leben Gemeinde in Almaty in einer Pressekonferenz vorgeworfen, sie würde kommerzielle Aktivitäten unter dem Mantel christlicher Slogans durchführen.

 

Versuche der Behörden, nicht genehmen Gemeinschaften Bestechungsgelder herauszulocken sind nicht neu und wurden auch von der Neues Leben Gemeinde in Almaty berichtet. Korruption ist in Kasachstan weit verbreitet. Das Land rangiert auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International auf Rang 124 von 175 Ländern.

Die Sonntagsgottesdienste der Neues Leben Gemeinde werden derzeit von ca. 850 Personen besucht. Die drei verurteilten Pastoren würden gerne aus dem Exil nach Kasachstan zurückkehren und ihren Dienst fortsetzen.

Quelle: Forum 18, Oslo

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit (AKREF) der ÖEA