19.06.2019

Westjordanland: Angriffe auf Christen häufen sich

Innerhalb von zwei Monaten kam es zu drei Vorfällen

Ramat Gan/Aboud( idea) – Innerhalb weniger Wochen kam es im palästinensisch verwalteten Westjordanland zu mehreren Übergriffen auf Christen und Kirchen. Das berichtete der Wissenschaftler am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien, Edy Cohen (Ramat Gan), auf der Internetseite des Instituts. Demnach gab es in den vergangenen zwei Monaten drei schwerwiegende Vorfälle, bei denen Christen in den von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) kontrollierten Gebieten betroffen waren. Am 25. April baten die verängstigten Bewohner des christlichen Dorfes Jifna bei Ramallah laut Cohen die PA, sie zu schützen, nachdem sie von muslimischen Bewaffneten angegriffen worden waren. Vorausgegangen sei die Beschwerde einer christlichen Frau bei der Polizei, weil der Sohn eines Führers der palästinensischen Fatah-Partei ihre Familie attackiert habe. Daraufhin seien Dutzende von Fatah-Vertretern ins Dorf, hätten Hunderte von Kugeln in die Luft gefeuert, Benzinbomben geworfen und Flüche geschrien. Es seien schwere Schäden am öffentlichen Eigentum entstanden. „Es war ein Wunder, dass es keine Toten oder Verwundeten gab“, so Cohen. Die Polizei habe trotz Hilferufen nicht eingegriffen und niemanden verhaftet. „Interessanterweise forderten die Randalierer die Anwohner auf, Jizya zu zahlen – eine Kopfsteuer, die im Laufe der Geschichte auf nichtmuslimische Minderheiten unter islamischer Herrschaft erhoben wurde.“ Die jüngsten Opfer des Jizya waren die christlichen Gemeinschaften des Irak und Syriens unter der Herrschaft der Terrorgruppe „Islamischer Staat“.

Bereits sechs Angriffe auf eine Kirche

Der zweite Vorfall habe sich in der Nacht zum 13. Mai ereignet. Vandalen brachen laut Cohen in eine Kirche der maronitischen Gemeinschaft im Zentrum von Bethlehem ein, entweihten sie und stahlen Inventar der Kirche einschließlich der Sicherheitskameras. Drei Tage später sei die anglikanische Kirche im Dorf Aboud westlich von Ramallah das Ziel eines Angriffs gewesen. Vandalen durchschnitten dem Bericht zufolge den Zaun, zerbrachen die Fenster der Kirche und drangen ein. Sie suchten nach wertvollen Gegenständen und stahlen Inventar. Cohen: „Wie bei den beiden vorangegangenen Vorfällen wurden keine Verdächtigen verhaftet.“ Laut eigenen Angaben auf Facebook war es das sechste Mal, dass die maronitische Kirche in Bethlehem Opfer von Vandalismus und Diebstahl wurde. Unter anderem verursachte ein Brandanschlag im Jahr 2015 erhebliche Schäden und führte dazu, dass die Kirche für längere Zeit schließen musste. Cohen: „Obwohl [der palästinensische Präsident] Mahmoud Abbas selbst am 24. Dezember 2018 bei der Wiedereröffnungsfeier der Kirche nach ihrer Renovierung anwesend war, haben die Brandstiftung sowie der Diebstahl und Vandalismus im Laufe der Jahre keine Beachtung in den palästinensischen Medien gefunden.“

Die Christen stehen unter Druck zu schweigen

Nach Einschätzung Cohens ist es unwahrscheinlich, dass die jüngste Welle von Angriffen dazu führen wird, dass Verdächtige verhaftet oder gar verfolgt werden. „Das Einzige, was die PA interessiert, ist, dass solche Ereignisse nicht an die Medien weitergegeben werden. Die Fatah übt regelmäßig starken Druck auf die Christen aus, die Gewalttaten und Vandalismus, unter denen sie häufig leiden, nicht zu melden, da eine solche Öffentlichkeit das Image der PA als Akteur schädigen könnte.“ Noch weniger wolle die PA als eine radikale Organisation dargestellt werden, die religiöse Minderheiten verfolgt. „Dieses Bild könnte negative Auswirkungen auf die massive internationale und insbesondere europäische Hilfe haben, die die PA erhält.“ Die Christen in der Autonomiebehörde fürchten laut Cohen, dass die muslimische Aggression gegen sie weiter eskalieren könnte. Die Christenheit in der westlichen Welt sollte verlangen, dass die PA die Verdächtigen bei den jüngsten Angriffen verhaftet und beginnt, die christlichen Kultstätten unter ihrer Herrschaft zu bewachen. Cohen: „Die anhaltende internationale Vernachlässigung der Notlage der Christen unter der PA-Herrschaft kann nur dazu führen, dass das Christentum von dort, wo es entstanden ist, verschwindet.“

Die christliche Bevölkerung schrumpft

Wie der Schweizer Publizist und Nahost-Experte Heinz Gstrein auf Livenet.ch schreibt, soll mittlerweile nur noch ein Prozent der Bevölkerung im Palästinensischen Autonomiegebiet christlich sein. „Zehntausende Christen haben es wegen religiöser Verfolgung bereits verlassen und sind ins Ausland abgewandert.“ Viele junge christliche Frauen würden angegriffen. Außerdem werde Landbesitz von Christen in großem Stil beschlagnahmt. Gstrein: „Einst zählten die Christen in den Palästinensergebieten eine ansehnliche Gemeinde, heute gibt es dort nur noch 45.000. Davon wohnen 4.000 in Jerusalem, etwa 1.000 Christen leben in Gaza.“