21.07.2019

Kasachstan: Keine Religionsfreiheit für nichtregistrierte Gemeinden

104 Verwaltungsstrafverfahren wegen Ausübung der Religionsfreiheit zwischen Januar und Juni 2019

Im ersten Halbjahr 2019 sind 104 Strafverfahren gegen 102 Personen, eine Religionsgemeinschaft und ein Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausübung der  Religionsfreiheit bekannt geworden. In 92 Fällen kam es zu Schuldsprüchen und Verhängung von Geldstrafen. Diese Zahlen dokumentieren einen Anstieg gegenüber 2018 mit 169 bekannt gewordenen Verfahren während des gesamten Jahres. Neben der Verhängung von Geldstrafen wurden vorübergehende Betätigungsverbote ausgesprochen, eine Gottesdienststätte endgültig geschlossen, religiöse Literatur wurde beschlagnahmt und vernichtet.

Ziel dieser Verfolgung nach dem Verwaltungsstrafgesetz waren Protestanten (ausschließlich Angehörige nicht registrierter Baptistengemeinden), Muslime, Zeugen Jehovas, sowie kommerzielle Verkäufer und Privatpersonen, die religiöse Literatur oder Gegenstände wie Ikonen im Internet zum Verkauf angeboten hatten.

Die Höhe der Geldstrafen entsprach dem Durchschnittslohn bei regulären Arbeitsverhältnissen für drei Wochen bis vier Monate (35 bis 200 „monatliche Finanzindikatoren“). Ein erheblicher Teil der Verfahren wurde wegen der Abhaltung von Gottesdiensten bzw. Versammlungen ohne staatliche Erlaubnis verhängt. Von den insgesamt 28 Fällen dieser Art betrafen 18 Baptisten, 5 Muslime, 3 Zeugen Jehovas, je einer die Hara Krischna Bewegung und ein Einkaufszentrum, das einen nicht registrierten Gebetsraum unterhielt. Gegen zwei Imame wurden Geldstrafen verhängt, weil sie Gebetsräume für Beerdigungen ohne staatliche Erlaubnis zur Verfügung gestellt hatten. Weitere Strafen wurden wegen des Verteilens kostenloser Schriften mit religiösem Inhalt bzw. der Verbreitung religiöser Inhalte im Internet verhängt. Am 1. April 2019 wurde eine Geldstrafe von 50 monatlichen Finanzindikatoren gegen den Baptisten Viktor Gizbrecht verhängt, weil er eine Bibel und andre christliche Bücher kostenlos im Internet angeboten hatte. Der Geschäftsinhaber Sergei Belov wurde im Januar zu einer Geldstrafe und 3 Monaten Berufsverbot verurteilt, weil er Ikonen, Buddhastatuen und andere Gegenstände mit religiösem Bezug zum Verkauf angeboten hatte. Dieselbe Strafe wurde im Februar gegen den Geschäftsinhaber Kairbek Tolegenuly verhängt, der Bücher über den sunnitischen Islam und Sufi-Literatur in seinem Geschäft angeboten hatte, und danach im Juni gegen die Verkäuferin Rano Tuzelova, die 3 Korane in arabischer Sprache Online zum Verkauf angeboten hatte. Weitere Strafen wurden gegen Frauen verhängt, die geerbte Bibeln und religiöse Literatur Online zum Verkauf angeboten hatten. Auch ein Verkäufer, der versucht hatte, einen von seiner Großmutter geerbten Koran zu Geld zu machen, kam nicht ungestraft davon.

Seltener geworden sind die Verwaltungsstrafverfahren wegen persönlich geführter Gespräche über den Glauben, 2018 gab es 17 Verfahren aus diesem Grund, im ersten Halbjahr 2019 nur 3, alle gegen Baptisten aus nicht registrierten Gemeinden.

Quelle: Forum 18, Oslo

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit (AKREF) der ÖEA