22.12.2019

Brasilien: Freikirchen wachsen unaufhörlich

Sonntagszeitung: Sie wollen mit ihren Wertvorstellungen in die Politik eindringen

Frankfurt am Main (idea) – In Brasilien wachsen die evangelikalen Freikirchen unaufhörlich. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS/Ausgabe 22. Dezember). Der Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung dürfte, so die Sonntagszeitung, in diesem Jahr auf 50 Prozent sinken. Vor 40 Jahren seien noch 90 Prozent der Brasilianer katholisch gewesen. Aktuell bezeichneten sich rund 30 Prozent als evangelikal. Die meisten gehörten einer pfingstkirchlichen oder neupfingstkirchlichen Bewegung an. Hochrechnungen zufolge werde die Zahl der Evangelikalen in den kommenden zehn Jahren die der Katholiken übersteigen.

Evangelikale gelten als zuverlässiger und ehrlicher

„Eilig ausgebildete Pastoren“ hielten in den kleinen Freikirchen den Kontakt zur Bevölkerung. Laut der Journalistin Lamia Oulalou verbessert sich die Situation der Menschen oft durch die strengen Regeln der Kirchen: „Wer nicht trinkt, hat am Ende des Monats mehr Geld.“ Evangelikale seien deswegen auch auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher: „Sie gelten als zuverlässiger und ehrlicher.“

Vermögen eines Kirchengründers wird auf über eine Milliarde Dollar geschätzt

Wie die Sonntagszeitung berichtet, hat auch der Gründer der sogenannten „Universalkirche des Königsreichs Gottes“, Edir Macedo (74), in den 70er Jahren klein in einem Park in Rio de Janeiro angefangen. 1977 habe er dann seine eigene Kirche in den Räumen eines früheren Bestattungsunternehmens gegründet. Heute habe die Kirche nach eigenen Angaben weltweit rund acht Millionen Anhänger. Macedo gehöre zu den reichsten Brasilianern. Das Magazin „Forbes“ habe sein Vermögen vor vier Jahren auf mehr als eine Milliarde Dollar geschätzt. Seine Kirche sei ein Großkonzern, zu dem auch Anteile an einer Bank sowie ein Medienimperium mit zahlreichen Radiostationen und zwei Dutzend kleinere Fernsehsender gehörten.

Im Kongress gehören fast 200 Abgeordnete der „Fraktion der Bibel“ an

Die Freikirchen wollten mit ihren sozialkonservativen Wertvorstellungen in die Politik eindringen. Besonders die konservativen Parteien hätten sich dem Diskurs der Freikirchen angenähert. So habe etwa bei der Bürgermeisterwahl von Rio de Janeiro vor drei Jahren der sozialistische Kandidat gegen den evangelikalen Pastor und Sänger Marcelo Crivella, einen Neffen Macedos, verloren. Im Kongress gehörten der sogenannten „Fraktion der Bibel“ fast 200 der 513 Abgeordneten an. Die Hälfte davon seien Evangelikale. Die Stimmen evangelikaler Wähler seien auch maßgeblich für den Wahlsieg von Präsident Jair Bolsonaro vor einem Jahr gewesen, so die Sonntagszeitung.