08.08.2022

Großbritannien: Der „Fall Archie“ - Wo bleibt die Menschenwürde?

Der britische Junge Archie hatte sich bei einem Unfall schwerste Hirnverletzungen zugezogen, womöglich bei einer Internet-Mutprobe. Der Zwölfjährige starb am 6. August, nachdem die lebenserhaltenden Apparate abgeschaltet wurden. Die Eltern des Jungen

(IDEA) Seit einem tragischen Unfall im April lag der zwölfjährige Archie im „Royal London Hospital“ im Koma. Er war dort nach dem schrecklichen Ereignis mit Medikamenten und Beatmungsgeräten am Leben erhalten worden. Weil die Ärzte wegen der schweren Hirnverletzungen des Jungen keine Hoffnung mehr auf eine Genesung hatten, wollten sie die Geräte längst abstellen und so den Tod von Archie herbeiführen. Aber seine Eltern kämpften. Sie wollten ihn am Leben erhalten. Sie hatten die Hoffnung nicht aufgegeben. Der Fall hat Aufsehen erregt, weil die Eltern alle Rechtsmittel ausschöpften, um die Ärzte daran zu hindern, die Apparate abzuhängen und so bewusst das Leben von Archie zu beenden. In England und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sind sie in allen rechtlichen Instanzen gescheitert.

Was absurd ist

Nun hatten die Eltern noch einen letzten Wunsch: dass ihr Sohn nicht im sterilen Krankenhaus stirbt, sondern für seine letzte Lebensphase in ein Hospiz verlegt wird. Aber das wurde vom Krankenhaus und schließlich auch vom Gericht mit der absurden Begründung abgelehnt, dass der Zustand des Jungen zu instabil sei, um ihn in einem Krankenwagen zu transportieren. Welcher Sarkasmus: Ein Krankentransport ist zu riskant! Man stellt lieber die Versorgung im Krankenhaus ab. Was das noch mit Recht und mit Menschlichkeit zu tun hat, bleibt schleierhaft. Wo bleibt die Menschenwürde und wo bleibt eigentlich hier die viel gepriesene Selbstbestimmung? Gilt die nur in Richtung Tod oder auch in Richtung Lebenserhaltung? Oder ist es eben einfach so, wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt: „Der finanziell stark unter Druck stehende britische Gesundheitsdienst neigt dazu, lebenserhaltende Maßnahmen sehr viel früher zu entziehen … Zudem werden die Wünsche von Eltern und Angehörigen dabei nicht im selben Maße berücksichtigt. Was im besten Sinne des Patienten ist, entscheiden oft Richter auf Empfehlung von Medizinern“. Müssen wir – in diesem Fall die Eltern von Archie – die Selbstbestimmung im Zweifel doch abtreten an die Ökonomen, Ärzte und Richter?

(Der Autor, Hartmut Steeb (Stuttgart), ist Vorsitzender des 1986 gegründeten Netzwerks „Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen“ (TCLG).)