11.08.2022

Pakistan: Tag der Minderheiten

Der 11. August soll an Rechte aller pakistanischen Bürger erinnern

Islamabad (Fides) - "Beginnen wir mit der Frage der Zwangskonvertierungen, einer Geißel im Leben der religiösen Minderheiten Pakistans. Diese schmerzliche Mentalität geht mit äußerst besorgniserregenden Faktoren einher wie die Verletzung grundlegender Menschenrechte, Diskriminierung, Armut und das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit. Die Untätigkeit der Regierung in dieser Frage ermutigt Täter, die den Glauben dazu missbrauchen, um Verbrechen gegen Frauen aus Minderheiten zu vertuschen. Die schwachen und armen Angehörigen der religiösen Minderheiten sind meist nicht in der Lage, sich zu wehren, um Gerechtigkeit zu erlangen", so der engagierte Katholik und pakistanische Menschenrechtsaktivist, Peter Jacob, im Interview mit der Fides anlässlich des pakistanischen Tages der Minderheiten, der jedes Jahr am 11. August begangen wird.
Jacob, der rund 30 Jahre lang Exekutivsekretär der Katholischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden (National Commission on Justice and Peace, NCJP) in der Katholischen Bischofskonferenz Pakistans war und jetzt das "Zentrum für soziale Gerechtigkeit" (Center vor Social Justice, CSJ) leitet, stellt fest: "Das Problem des Missbrauchs von Minderheitenrechten muss erkannt und durch angemessene Rechtsvorschriften angegangen werden, damit spezifische Maßnahmen zum Schutz von Frauen aus religiösen Minderheiten zu ergriffen werden. Aufklärungs- und Bildungsprogramme sind deshalb dringend erforderlich, um den Schutz und das Bewusstsein in der pakistanischen Gesellschaft für den gefährdeten und marginalisierten Status der Minderheiten im Land zu stärken. Wir werden so lange unsere Stimme erheben, bis der Staat für Gerechtigkeit sorgt und das pakistanische Volk sich dessen bewusst wird".
Nach den vom CSJ gesammelten Daten wurden im Jahr 2021 insgesamt 78 heranwachsende Frauen aus religiösen Minderheitengemeinschaften (39 Hindu und 38 Christinnen und eine Frau aus der Gemeinschaft der Sikh) entführt und gewaltsam zum Islam konvertiert, was einen Anstieg der Fälle um 80 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020 bedeutet. Allerdings handelt es sich bei diesen Fällen nur um die offiziell registrierten, während viele andere gar nicht gemeldet werden. Anlässlich des Tages der Minderheiten äußern Menschenrechtsaktivisten ihre Besorgnis über den Mangel an rechtlichen Garantien zum Schutz von Minderheiten in Pakistan. Im Zusammenhang mit Zwangskonvertierungen werden Verbrechen wie Entführung, Urkundenfälschung und sexuelle Gewalt begangen, die nicht geahndet werden.
Anlässlich des 11. August zitiert der Präsident der Nichtregierungsorganisation "Voice for Justice", Joseph Jansen, im Gespräch mit Fides die Botschaft des pakistanischen Staatsgründers Muhammad Ali Jinnah in seiner historischen Rede am 11. August 1947, die die Wahl des Datums als "Tag der Minderheiten" inspirierte. Jinnah sagte: "Wir sind alle Bürger und zwar gleichberechtigte Bürger eines Staates“. „Ich denke, wir sollten uns dies als Ideal vor Augen halten“, betont Jansen, „und verstehen, dass im Laufe der Zeit die Hindus aufhören sollten, Hindus zu sein und die Muslime, Muslime zu sein. Nicht im religiösen Sinne, denn das ist der persönliche Glaube eines jeden Einzelnen, sondern im politischen Sinne als Bürger des Staates". Er fügte hinzu: "Sie sind frei. Es steht Ihnen frei, zu Ihren Tempeln, Moscheen oder anderen Gebetsstätten in diesem Staat Pakistan zu gehen. Sie können jeder Religion, Kaste oder Glaubensrichtung angehören: Das hat nichts mit den Angelegenheiten des Staates zu tun".
Joseph Jansen berichtet: "Anlässlich des Nationalen Tages der Minderheiten wird Voice for Justice zusammen mit anderen Organisationen Schweigeminuten und Gedenkfeiern abhalten und die pakistanische Regierung mit Lesungen und öffentlichen Demonstrationen auffordern, konkrete Garantien für den Schutz religiöser Minderheiten einzuführen und die Vision von Muhammad Ali Jinnah umzusetzen“. Es sei notwendig, "alle diskriminierenden Handlungen zu erkennen und zu sanktionieren, insbesondere auf der Grundlage von Religion und Weltanschauung, damit Gleichheit und Religionsfreiheit gewährleistet sind, wie es in der pakistanischen Verfassung heißt", so Jansen abschließend.
Die pakistanische Zivilgesellschaft erinnert insbesondere an den katholischen Minister Shahbaz Bhatti (1968 - 2011), der bei einem Terroranschlag in Islamabad getötet wurde und ein Märtyrer für die Gerechtigkeit war. Bhatti hinterließ ein wertvolles geistiges Vermächtnis sowie zivile und politische Errungenschaften wie die Einführung des Tages der Minderheiten am 11. August. Der Minister wollte damit den Jahrestag von Ali Jinnahs historischer Ansprache an die pakistanische Nation würdigen, in der er die Gleichberechtigung aller Bürger, unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund, proklamierte.
Der heutige Tag der Minderheiten, der 2009 auf Bhattis Initiative hin eingeführt wurde, ist ein Vermächtnis des christlichen und menschlichen Engagements von Shahbaz Bhatti, der damit ein greifbares Zeichen der Anerkennung für die Rolle der Minderheiten in Pakistan setzen und ihren Beitrag zum Aufbau der Nation seit der Unabhängigkeit würdigen wollte. Die Themen, die den Tag seither prägen, sind: Gerechtigkeit, Arbeit, Bildung, Achtung der Rechte, Beendigung von Zwangskonvertierungen und jeglicher sozialer und religiöser Diskriminierung.
(AG-PA) (Fides 10/8/2022)