27.01.2022

Äthiopien: Lebensbericht eines Christen

HMK Deutschland - Dereje Tekle, ein Mitarbeiter an vorderster Front in Südäthiopien, war kürzlich zu Besuch in einer Missionsschule. Selbst Absolvent dieser Schule, erzählte er den jetzigen Studenten seine Lebensgeschichte. Einen Auszug davon lesen Sie hier.

Wir waren damals die ersten Christen in der Region. Die Muslime hielten sich die Nase zu, wenn sie uns sahen. Sie sagten: „Christen stinken.“ Sie hassten uns. Als wir versuchten, die Muslime mit dem Evangelium zu erreichen, wollten sie es nicht hören. Sie wollten mit uns nur über ihre Religion sprechen. Damals hatte ich den Eindruck, Muslime seien immer negativ. Aber auf dieser Missionsschule lernte ich mehr über Muslime. Ich lernte, was der Islam ist, was den Muslimen fehlt und was sie brauchen. Danach lagen mir Muslime besonders am Herzen.

Gefastet, damit Muslime Jesus finden

Ich setzte mir das Ziel, mindestens eine muslimische Familie mit dem Evangelium zu erreichen. Auf dem Weg dahin bemühte ich mich, Muslime mit den Augen Gottes zu sehen und ihnen mit Liebe zu begegnen. Ich merkte, wie Muslime offener wurden, von Jesus Christus zu hören, wenn ich ihnen mit dieser Einstellung begegnete.

Ich schloss die Schule während des Fastenmonats Ramadan ab. Weil Muslime mir sehr am Herzen lagen, fastete ich 30 Tage lang mit ihnen. Sie fasteten ja für nichts, aber ich fastete, damit sie zu Jesus finden. Ein Mann aus Saudi-Arabien, der wegen seines Kaffeegeschäfts in meiner Gegend wohnte und dem ich vergeblich versucht hatte, das Evangelium weiterzugeben, kam während dieser Fastenzeit auf mich zu. Zu meinem Erstaunen erzählte er mir, dass er versucht hatte, Selbstmord zu begehen, weil böse Geister ihn quälten. Für seine Familie war sein Selbstmordversuch eine Schande, daher hatte sie ihn nun verlassen. Ich war von 10 Uhr morgens bis zum Nachmittag bei ihm, ermutigte ihn und betete für ihn. Dann sagte er: „Ich möchte gern bekommen, wovon du redest.“ Am gleichen Abend fand er den Weg zu Jesus – und auch heute noch lebt er in der Nachfolge Jesu.

Du wirst nicht entkommen

Unsere Arbeit ging weiter. 2016 fanden viele Muslime zu Jesus. Das führte zu Ärger und Angriffen wütender Muslime im Jahr darauf. Meine Kirche wurde im Oktober 2017 zerstört. An jenem Tag hatten wir uns als Geschwister versammelt, denn wir wussten, dass unser Dorf angegriffen werden würde. Um uns alle zu ermutigen, predigte ich über Psalm 23. Als ich mit der Predigt fertig war, hatten die Angriffe bereits begonnen. Ich sah verzweifelte Menschen und die Flammen brennender Häuser. So schnell ich konnte, lief ich nach Hause, um meine Familie zu schützen. Als die Angreifer bei meinem Haus ankamen, riefen sie: „Dereje! Dereje! Komm heraus! Das ist dein Tag und du wirst nicht entkommen!“ Ich schnappte meine Frau und meine Kinder, schlich durch die Hintertür unseres Hauses und rannte los.

Aus der Ferne sah ich, wie sie alles zerstörten, was wir besaßen. Sie versuchten sogar, das Haus anzuzünden, aber das war wegen des Regens vergeblich. Von Mitgliedern der Kirche, die früher Muslime waren, wusste ich, dass ich eines der wichtigsten Angriffsziele war. Die Angriffe würden nicht aufhören, bis ich getötet sei. Sie drängten mich, mein Leben und meine Familie zu retten.

Daraufhin floh ich mit meiner Familie in eine andere Stadt. Wir waren fünf Tage lang zu Fuß unterwegs und schliefen im Dschungel. Unsere Kinder waren damals 9 Jahre und 5 Jahre alt, das kleinste erst 9 Monate. Auf der Flucht wurde das jüngste Kind krank, und ich hatte Angst, dass es sterben würde. Aber Gott war treu und heilte es. Als wir endlich ankamen, war ich so schwach, dass ich drei Tage lang im Krankenhaus bleiben musste, bis ich mich erholt hatte.

Mutig vertrauen

Eine Zeit lang erhielt ich finanzielle Unterstützung für meine Arbeit von einer Gemeinde im Süden des Landes. Danach hatte ich jedoch keine Mittel mehr, um meine Familie zu unterstützen. Einen Monat lang wusste ich nicht, was ich machen sollte. Dann kam einer der Gemeindeleiter des Distrikts auf mich zu. Er forderte mich auf, mutig weiterzuarbeiten und darauf zu vertrauen, dass die Unterstützung kommen werde. Ich durfte meine Familie auf das Gelände der Missionsschule bringen, wo wir eine Zeit lang blieben. Das war vor einem Jahr. Seitdem konnte ich eine neue Aufgabe übernehmen. Zu meiner großen Freude hat es Jesus geschenkt, dass fünf Menschen mit muslimischem Hintergrund zum Glauben gekommen sind! Mittlerweile möchten sogar viele meiner muslimischen Freunde von mir etwas über den christlichen Glauben erfahren. Früher konnte ich nicht gut mit Muslimen reden, ich konnte sie nicht verstehen. Aber heute weiß ich, wie ich ihnen das Evangelium näherbringen kann. Von Jesus habe ich gelernt, dass wir nur bereit sein müssen – der Herr ist es, der Herzen berührt und Frucht schenkt.

 

„Der, der uns sendet, hat alle Macht. Und wenn wir sterben sollten, gehen wir zu Ihm.“

Bereit, zurückzukehren

Seit den Anschlägen in unserem Dorf war ich schon zwei Mal wieder dort. Ich bin bereit, zurückzukehren und dort zu arbeiten, wenn Gott mich dazu ruft. Der, der uns sendet, hat alle Macht. Und wenn wir sterben sollten, gehen wir zu Ihm.

Ihr seid vom Herrn berufen, ihm hier zu dienen – das ist ein Privileg. Vertraut dem Herrn; habt keine Angst. Furcht ist eine Krankheit. Wenn ihr euch fürchtet, könnt ihr nicht einmal einen Schritt gehen. Der, der mit euch ist, ist größer als die Angst. Habt keine Angst. Vertraut auf den Herrn.

Quelle: HMK Deutschland

https://www.verfolgte-christen.org/erleben-mitfuehlen/magazin/aktuelle-ausgabe/januar-2022/vertraut-dem-herrn/?utm_campaign=Newsletter%2018.%20Januar%202022&utm_medium=email&utm_source=Mailjet