04.07.2022

Tadschikistan: „Wir werden keine neuen Kirchen mehr registrieren“

AKREF-A/F18/04.07.22 - Sulaymon Davlatzoda, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Religiöse Angelegenheiten und die Regulierung von Traditionen, Zeremonien und Ritualen, lud Ende Mai 2022 Leiter protestantischer Kirchen bzw. Gemeinden in seine Amtsträume in der Hauptstadt Duschanbe. „Wir werden von jetzt an keine neuen Kirchen mehr registrieren. Wir werden die Anzahl der registrierten Gemeinden von jetzt an unverändert lassen“. Mit diesen Worten wurde Davlatzoda von mehreren Mitgliedern protestantischer Gemeinschaften zitiert, die hinzufügten, dass er keine Gründe für diese Maßnahme angegeben hätte. Den Vertretern mehrerer protestantischer Gemeinden, die einen Registrierungsantrag beim Staatlichen Komitee für Religiöse Angelegenheiten stellten wurde nach Angaben eines Protestanten gegenüber Forum 18 im Einzelgespräch dasselbe gesagt. 

Während der Besprechung mit den protestantischen Leitern wies Davlatzoda ausdrücklich darauf hin, dass Kinder nicht an kirchlichen Aktivitäten teilnehmen dürfen und Kinderlager mit religiösen Inhalten verboten sind. Nach dem Gesetz über die elterliche Verantwortung von 2011 ist Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen mit Ausnahme von Beerdigungen untersagt. In der Vergangenheit wurden bereits Geldstrafen wegen Verstößen gegen dieses Verbot gegen Religionsgemeinschaften verhängt.

Jegliche Ausübung des international garantierten Rechts auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit ohne staatliche Registrierung ist in Tadschikistan illegal und strafbar. Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat schon mehrmals seine Besorgnis über die Einschränkungen der Religions- bzw. Glaubensfreiheit zum Ausdruck gebracht und Gesetzesänderungen und ein Ende der restriktiven Praktiken gefordert.

Ein Protestant äußerte sein Bedauern mit folgenden Worten: „Wir versammeln uns ohne Registrierung zum Gottesdienst, doch wir fürchten, dass uns die Behörden jederzeit bestrafen können“. Nach Angaben tadschikischer Protestanten gegenüber Forum 18 sind diesen 15 – 20 protestantische Gruppen bekannt, die eine Registrierung anstreben, denen sie jedoch verweigert wird. Mindestens eine Gruppe in der nördlichen Region Sugd wurde im Januar 2022 wegen der Ausübung ihrer Religionsfreiheit zu einer Geldstrafe verurteilt. Geldstrafen gegen Organisationen bewegen sich in der Höhe von acht bis sechzehn durchschnittlichen Monatsgehältern.

Die Behörden verhängen auch weiterhin Strafen gegen Muslime, die außerhalb der staatlich registrierten Moscheen gemeinsam beten oder ihre Religions- bzw. Glaubensfreiheit ausüben. Nach Angaben eines Menschenrechtsaktivisten bestrafen die Behörden üblicherweise Gäste nicht, die die gemeinsamen Pflichtgebete (Namaz) mit der Familie verrichten, die sie gerade besuchen. Wenn die Behörden jedoch herausfinden, dass dies mehr oder minder regelmäßig geschieht, werden diejenigen, die gemeinsam beten, bestraft. Das Regime hat unabhängige, nicht registrierte Moscheen geschlossen und beschlagnahmt. Nach Angaben eines anderen Menschenrechtsaktivisten gegenüber Forum 18 wurden alle von den Behörden als illegal erachteten Moscheen in den letzten Jahren entweder abgerissen oder in öffentliche oder für andere Zwecke genutzte Gebäude umgewandelt.

Zeugen Jehovas sind seit dem Verbot von 2007 in der Ausübung ihrer Religions- bzw. Glaubensfreiheit massiv eingeschränkt. Nach Angaben von Mitgliedern der Gemeinschaft riskieren sie Freiheitsstrafen für die Betätigung ohne staatliche Registrierung und sind gezwungen, ihre Treffen in kleinen Gruppen in Privatwohnungen abzuhalten. 2021 und 2022 hat die Polizeiabteilung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität der Region Sugd mehrere Zeugen Jehovas wiederholt über Shamil Khakimov befragt, der gerade eine Gefängnisstrafe wegen des Mitteilens seines Glaubens verbüßt. Es wurden allerdings weder Strafverfahren noch Verwaltungsstrafverfahren gegen die Befragten eingeleitet.

 

Nach dem 2009 in Kraft getretenen Religionsgesetz ist jede Ausübung der Religions- bzw. Glaubensfreiheit in Gemeinschaft mit anderen Personen ohne staatliche Erlaubnis illegal und nach dem Verwaltungsgesetz strafbar. Die Höhe der Geldstrafen wurde im Januar 2020 und Dezember 2021 hinaufgesetzt. Die Strafen werden in Finanzeinheiten bemessen. Laut Staatsbudget von 2022 ist der Wert einer Finanzeinheit derzeit 64 Somoni. Das bedeutet, dass eine Strafe in Höhe von 100 Finanzeinheiten 6.400 Somoni beträgt. Das sind etwa vier durchschnittliche Monatsgehälter für Personen mit einem regulären Arbeitsplatz, eine wesentlich höhere Belastung für Arbeitslose und Pensionisten. Die Mindeststrafe für die erstmalige Durchführung einer religiösen Aktivität ohne staatliche Registrierung beträgt für Einzelpersonen 15 bis 20 Finanzeinheiten, für religiöse Leiter zwischen 40 und 60 Finanzeinheiten und für Organisationen 200 bis 400 Finanzeinheiten. Diese Strafen werden für die Ausübung des international garantierten Rechts auf Religions- bzw. Glaubensfreiheit verhängt, die den Menschen in Tadschikistan aufgrund innerstaatlicher Gesetze vorenthalten wird.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 1. Juli 2022).

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA