19.05.2022

Deutschland: Kirche und Diakonie kritisieren Gesetzentwürfe zur Suizidbeihilfe

Bundestag beschäftigte sich in einer Orientierungsdebatte mit der Neuregelung

Berlin (IDEA) – Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie Deutschland haben Kritik an den vorliegenden Gesetzentwürfen zur Neuregelung der Suizidbeihilfe geübt. Anlass war eine Orientierungsdebatte des Bundestages am 18. Mai. Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe gekippt und zur Begründung erklärt, es gebe ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Damit sei die Freiheit eingeschlossen, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Bisher haben drei Gruppen von Abgeordneten jeweils einen Entwurf für die Neuregelung vorgelegt. Nach dem Vorschlag einer Gruppe um die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr können Ärzte den Sterbewilligen „Arzneimittel zum Zwecke der Selbsttötung“ verschreiben, wenn diese vorher eine „ergebnisoffene und nicht bevormundende Beratung“ bei einer anerkannten Beratungsstelle durchlaufen haben. Nach dem Entwurf der Grünen-Politikerinnen Renate Künast und Katja Keul kann ein Arzt die tödliche Substanz nach einem Beratungsgespräch verschreiben, wenn der Suizidwillige sich in einer leidvollen medizinischen Notlage befindet. Die strengsten Regelungen sieht der dritte Entwurf einer Gruppe um den religionspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Castellucci, und den CDU-Abgeordneten Ansgar Heveling vor. Danach soll die Beihilfe zur Selbsttötung nur nach zwei Untersuchungen durch einen unabhängigen Psychiater erlaubt sein. Zwischen den Untersuchungen müssen mindestens drei Monate liegen. In der Zwischenzeit muss der Suizidwillige sich in einem Gespräch beraten lassen, bei dem neben Ärzten auch Sucht- und Schuldnerberater eingebunden werden sollen.

Heveling: Schutz des Lebens im Mittelpunkt

In der Debatte sagte Heveling, bei der Neuregelung müsse der Schutz des Lebens im Mittelpunkt stehen. Da die Entscheidung für den Tod nicht revidierbar sei, müsse sich der Staat schützend vor das Leben des Einzelnen stellen. Helling-Plahr erklärte dagegen, jeder Mensch müsse die Sicherheit haben, selbst entscheiden zu dürfen, wann sein Leben ende. Daher sei eine Neuregelung im Strafrecht inakzeptabel. Wer bereit sei, anderen beim Sterben zu helfen, verdiene Respekt anstatt Strafe. Künast wies darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber keinen Auftrag für eine Neuregelung erteilt habe. „Wir könnten das jetzt so lassen.“ Die Frage sei aber, ob das gewollt sei oder ob doch ein Rahmen gesetzt werden solle mit Schutzregeln. Ihrer Ansicht nach seien eine rechtseinheitliche Regelung und mehr Transparenz nötig.

EKD und Diakonie für Ausbau der Suizidprävention

In der gemeinsamen Stellungnahme von EKD und Diakonie erklärte die EKD-Ratsvorsitzende, Präses Annette Kurschus (Bielefeld): „Suizid-Prävention muss allem anderen vorgehen.“ Die Prävention müsse weit vor einem assistierten Suizid ansetzen und auch die Vorbeugung vor sozialer Isolation umfassen. Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie (Berlin), forderte, Beratungsangebote müssten auch für Angehörige von Suizidwilligen geöffnet werden. Für sie könne deren Selbsttötung ebenfalls eine Belastung darstellen. An dieser Stelle habe jeder der drei im Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfe große Lücken.

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Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen von Suizidgedanken, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.