05.11.2022

Russland: Verhaftungen und Verwaltungsstrafen wegen Kritik am Ukrainekrieg

AKREF-A/05.11.22 - In einigen von inzwischen tausenden Protesten gegen den Krieg in der Ukraine wurden unter anderem das Gebot „Du sollst nicht töten“, Psalm 23 und eine Passage aus einem Essay des Dalai Lama zitiert. Dies hat in den letzten Monaten zu Verhaftungen, Verwaltungsstrafen und sogar zu Strafverfolgung nach dem Strafgesetzbuch wegen „Diskreditierung“ der russischen Streitkräfte geführt.

Entgegen der Unterstützung der russischen Invasion, die von der Leiterschaft der Russisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat), des größten Bundes von Pfingstkirchen, der Zentralen Geistlichen Verwaltung der Muslime Russlands und einiger anderer religiöser Organisationen zum Ausdruck gebracht wurde, äußert eine Minderheit von Laien und Klerikern weiterhin ihre Opposition auf der Grundlage ihres Glaubens.

Am 23. Oktober 2022 nahm die Verkehrspolizei Damara Erendzhenova außerhalb des historischen buddhistischen Tempels in St. Petersburg fest. Sie hatte ein Plakat mit dem Text „Militarismus ist sehr teuer – der XIV. Dalai Lama“ hochgehalten. Sie bezeichnete ihre Aktion unter Verwendung eines Zitats aus dem Essay „Die Realität des Krieges“ als Geste der Verzweiflung, um ihre zahlreichen buddhistischen Bekannten, die für den Krieg sind, mit den Worten ihres religiösen Oberhaupts vielleicht doch noch zum Umdenken zu bewegen. Erendzhenova wurde nach dem Verwaltungsstrafrecht angeklagt. Dies ist der erste bekannt gewordene Fall einer Buddhistin bzw. Angehörigen einer nicht christlichen Religion, die wegen ihrer religiös begründeten Opposition zum Ukrainekrieg verfolgt wurde.

Am 18. August verhängte ein Gericht in Tschita in der sibirischen Region Transbaikalien eine Geldstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Wochenlöhnen gegen Vitali Goryatschikh, weil er mit einem Zitat aus Psalm 23 gegen den Krieg protestiert hatte. Er war am 28. Juli von der Polizei festgenommen worden, als er zu Füßen der Leninstatue auf dem Leninplatz in Tschita stand und ein Plakat mit den Worten „Ich fürchte kein Übel. Ich lese die Bibel. Sie enthält 10 Gebote schwarz auf weiß. Eines davon lautet ‚Du sollst nicht töten‘“ in die Höhe hielt.

Konstantin Fokin, der ein Plakat mit demselben Gebot „Du sollst nicht töten“ vor dem Leninmausoleum in Moskau gezeigt hatte, muss eine Geldstrafe in ähnlicher Höhe bezahlen.

Wegen Protesten gegen den Krieg aus religiöser Motivation oder unter Verwendung von Bibelzitaten oder religiöser Bilder wurden bisher mindestens 26 Personen nach Artikel 20.3.3 des Verwaltungsgesetzbuchs verfolgt. Insgesamt gab es über 4.000 Anzeigen wegen Protesten gegen den Krieg. Bis zum 24. Oktober gab es zusätzlich 107 Fälle von Strafverfolgung nach dem Strafgesetzbuch wegen Verbreitung von „Falschinformationen“ über die russischen Streitkräfte oder öffentlichen Aktionen zu deren Diskreditierung.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 4. November 2022).

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA