16.10.2022

Russland: Strafverfahren gegen orthodoxe Priester

wegen Kritik an Russlands Krieg gegen die Ukraine

Zwei orthodoxe Priester stehen in Russland vor Gericht, weil sie religiös begründete Kritik am Angriffskrieg gegen die Ukraine geübt haben. Nikandr Pintschuk soll am 17. Oktober vor dem Bezirksgericht Verkhoturye in der Region Swerdlowsk erscheinen. Die Verhandlung gegen Ioann Kurmoyarov soll am 14. November in St. Petersburg stattfinden. Er ist bereits seit Anfang Juni in Untersuchungshaft. Im Falle einer Verurteilung drohen beiden Männern hohe Geldstrafen oder sogar Haftstrafen. Sie sind Mönche und gleichzeitig Priester. Ioann Kurmoyarov ist wegen Verletzung des neuen Artikels 207.3 des Strafgesetzbuchs angeklagt. Die Definition des Delikts lautet: „Öffentliche Verbreitung bewusst falscher Informationen über den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation zum Schutz der Interessen der Russischen Föderation und ihrer Bürger und Aufrechterhaltung von internationalem Frieden und Sicherheit unter der Vorspiegelung, es handle sich um glaubwürdige Angaben.“ Der konkrete Anlass sind die Videos, die Kurmoyarov auf seinem YouTube Kanal gepostet hat, in denen er die Unterstützung des Krieges durch das Moskauer Patriarchat kritisiert und die Meinung vertritt, dass die Aggressoren entgegen der Aussagen von Patriarch Kyrill nicht in den Himmel kommen würden. Weiters argumentiert er, dass jede Verurteilung dieser Aggression, dieses Kriegs gegen die Ukraine eine geistliche Angelegenheit sei und dass alle Christen diese verurteilen sollten. Am 2. August erklärte die Leiterin des Pressedienstes der Gerichte von St. Petersburg auf Anfrage gegenüber Forum 18, dass es erforderlich wäre, den Priester in Untersuchungshaft zu halten, denn „wäre Kurmoyarov in Freiheit und nicht von der Gesellschaft isoliert, könnte er seine kriminellen Aktivitäten fortsetzen, sich der Strafverfolgung und dem Gericht entziehen.“

Im Falle von Schuldsprüchen wären dies die ersten strafrechtlichen Verurteilungen von Priestern wegen Kritik am Ukrainekrieg. Bisher wurden lediglich Verwaltungsstrafen ausgesprochen.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 15. Oktober 2022).

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA