17.10.2022
Deutschland: Vielfältige Kritik am ersten Muezzinruf
Köln: Kirchlicher Islam-Beauftragter - Gebetsruf trägt nicht zur Solidarität bei
Köln (IDEA) – Von der Kölner Zentralmoschee der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) hat am 14. Oktober erstmals der Muezzin per Lautsprecher zum Gebet gerufen. Hintergrund: In Köln dürfen Moscheegemeinden künftig einmal pro Woche fünf Minuten lang zum Freitagsgebet rufen. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte das Modellprojekt auf den Weg gebracht. Es soll zwei Jahre lang laufen. Das Vorhaben stößt auf vielfältige Kritik. Der evangelische Theologe und Islam-Beauftragte der württembergischen Landeskirche, Friedmann Eißler (Stuttgart), wies gegenüber der Nachrichtenplattform evangelisch.de darauf hin, dass der islamische Gebetsruf sich nicht mit Kirchengeläut vergleichen lasse. Viele Muslime nutzten Apps oder Kalender für die Gebetszeiten. Köln schaffe ohne Not neuen politischen Ballast. Ein Gebetsruf trage eher nicht zur Solidarität mit Muslimen bei.
Schröter: Punktsieg für islamistische Hardliner
Der deutsch-kurdische Menschenrechtsaktivist und FDP-Politiker Kamal Sido (Marburg) kritisierte den Muezzinruf in Köln: „Europäische Städte dürfen nicht wie Teheran oder Kairo werden. Sonst haben wir einen unerträglichen Lärm.“ Kritik hatte auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) geübt. Durch den Muezzinruf werde „möglicherweise mehr Streit in die Gesellschaft getragen als der Integration gedient wird“, erklärte der Politiker. Die Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam in Frankfurt am Main, die Ethnologin Prof. Susanne Schröter, äußerte gegenüber dem WDR die Befürchtung, dass der öffentliche Muezzin-Ruf von „islamistischen Hardlinern“ als „Punktsieg“ verstanden werden könnte.
Broder: In Saudi-Arabien die Kirchenglocken läuten lassen
Der Publizist Henryk M. Broder bezeichnete den Muezzinruf in dem TV-Magazin der Tageszeitung „Die Welt“ als richtigen Schritt in Richtung zu einer multikulturellen Gesellschaft. Er äußerte in dem Zusammenhang allerdings den Wunsch: „Wir lassen den Muezzin hier singen, wenn in Saudi-Arabien, Afghanistan und Pakistan die Kirchenglocken läuten. Das wäre ein fairer Deal.“