27.03.2023

Israel: Wird Evangelisation verboten?

Der israelische Ministerpräsident dementiert Befürchtungen christlicher Missionare

Jerusalem (IDEA) – Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Befürchtungen zurückgewiesen, dass die Evangelisation durch Christen verboten werden solle. Anlass war ein Gesetzesvorschlag der beiden ultraorthodoxen Knesset-Mitglieder Moshe Gafni und Yaakov Asher, der ein Verbot christlicher Evangelisation vorsieht. Die beiden gehören zum „United Torah Judaism“ (Vereinigtes Torah-Judentum), das aktuell über sieben von 120 Sitzen im Parlament verfügt. Außerdem ist die Partei Mitglied der aktuellen israelischen Regierung. Auf Twitter teilte Netanjahu nun jedoch mit, dass seine Regierung keine Gesetze erlassen werde, die sich „gegen die christliche Gemeinschaft“ in seinem Land richteten. Der entsprechende Gesetzesvorschlag, den die evangelikale Nachrichtenplattform „All Israel News“ übersetzt hat, richtete sich zwar gegen Bekehrungsversuche durch Vertreter aller Religionen. Allerdings werden Christen darin als einzige Glaubensgemeinschaft direkt erwähnt. In dem Text heißt es weiter, dass die meisten Versuche, Menschen zum Übertritt zu ihrer Religion zu bewegen, „auf die schwächeren Bevölkerungsschichten“ abzielten, die aufgrund ihrer sozioökonomischen Stellung leichter für derartige Überredungsversuche empfänglich seien. „Daher wird vorgeschlagen, neben dem Verbot der Gewährung von Gefälligkeiten als Anreiz zum Religionswechsel auch die Aufforderung zum Religionswechsel zu verbieten, wenn sie direkt an eine Person gerichtet ist.“ Wenn es sich bei der umworbenen Person um einen Erwachsenen handle, wird eine Höchststrafe von einem Jahr Haft vorgeschlagen, bei Minderjährigen solle sie entsprechend bei zwei Jahren Haft liegen. Zum Hintergrund: In Israel ist es bereits jetzt eine Straftat, Minderjährige zu missionieren oder Menschen jeden Alters mit Geld oder materiellen Gütern zu bestechen, damit sie ihre Religionszugehörigkeit wechseln.

Netanjahu galt immer als Freund der Evangelikalen

Der Chefredakteur von „All Israel News“, Joel C. Rosenberg (Jerusalem), betont, dass es Netanjahu und seiner Likud-Partei zu verdanken sei, dass derartige Gesetze in der Vergangenheit weder verabschiedet noch angenommen worden seien. Der langjährige Ministerpräsident habe immer unter Beweis gestellt, dass er „den jüdischen Staat als liberale Demokratie unbedingt erhalten“ wolle. Dazu gehöre auch, „die Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit“ zu schützen. Darüber hinaus habe sich Netanjahu in den letzten drei Jahrzehnten als großer Freund evangelikaler Christen erwiesen. Obwohl er theologisch nicht mit den Evangelikalen darin übereinstimme, wer Jesus sei, betrachte er die evangelikale Gemeinschaft seit langem „als einen wahren Segen und einen strategischen Gewinn für den Staat Israel und das jüdische Volk weltweit“. Aus diesem Grund habe Netanjahu drei Jahrzehnte lang aktiv und konsequent um eine starke Unterstützung Israels durch evangelikale Christen geworben, von denen es in den Vereinigten Staaten etwa 60 Millionen und weltweit etwa 600 Millionen gebe. Netanjahu treffe sich regelmäßig mit christlichen Führern aus einem breiten Spektrum von Konfessionen und spreche häufig auf christlichen Konferenzen und Foren, unter anderem auf dem „Christian Media Summit“, der jedes Jahr vom israelischen Presseamt der Regierung in Jerusalem organisiert wird.

Netanjahu braucht seine orthodoxen Koalitionspartner

Rosenberg befürchtet, dass sich das nun ändern könne. Denn die orthodoxen und ultraorthodoxen Mitglieder der Regierung drängten in dieser Legislaturperiode „weitaus aggressiver als je zuvor auf die Verabschiedung von Gesetzen, die ihre theologische Weltanschauung“ förderten. Sie schienen zu glauben, dass es sich Netanjahu nicht leisten könne, ihre Stimmen zu verlieren“. Insbesondere Gafni habe „eine lange Vorgeschichte als Gegner der Anhänger Jesu“ und bereits 1999 brachte einen Gesetzesentwurf eingebracht, der ein gesetzliches Verbot von Evangelisationen in Israel vorsah. Seither habe er regelmäßig neue Versuche unternommen, die bisher gescheitert seien.

 

Die Justizreform könnte auch Auswirkungen auf die Anhänger Jesu haben

Auch die derzeitig geplante Justizreform gebe evangelikalen und messianisch-jüdischen Leitern Anlass zu weiteren Bedenken. Viele glaubten zwar, dass Reformen tatsächlich notwendig seien, um Israels mangelhaftes Rechtssystem zu verbessern. Sie befürchteten jedoch, dass die Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten aller Minderheiten im Land, einschließlich religiöser Minderheiten, wie z. B. der Anhänger Jesu, ernsthaft gefährdet werden könnten, wenn die Knesset eine extreme Version einer „Überstimmungsklausel“ verabschieden sollte. Eine solche Klausel würde es der Knesset ermöglichen, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs Israels mit einer einfachen Mehrheit von nur 61 von 120 Abgeordneten außer Kraft zu setzen. Das könne bedeuten, dass der jüngste Gesetzentwurf auch dann in Kraft treten könne, wenn der Oberste Gerichtshof Israels ihn als Verstoß gegen die Redefreiheit, die grundlegenden Menschenrechte und die Religionsfreiheit verwerfen sollte. Denn die Regierung könne diese Entscheidung dann mit ihrer Mehrheit im Parlament wieder aufheben. Die Knesset wäre dann in der Lage, alle Formen der Evangelisation in Israel zu verbieten. Jüdische und nichtjüdische Anhänger Jesu hätten dann keinerlei rechtliche Handhabe mehr, um sich dagegen zu wehren.