30.03.2023

Äthiopien: Mingi - "verfluchte“ Kinder

Mingi bedeutet Fluch. Die Gründe dafür, warum ein Kind als Mingi gilt, sind vielfältig und bizarr

(entnommen aus IDEA) Verfluchte Kinder

Mingi bedeutet Fluch. Die Gründe dafür, warum ein Kind als Mingi gilt, sind vielfältig und bizarr: Wird ein Junge als erstes Kind einer Familie geboren, ist er Mingi. Bricht der erste Zahn im Oberkiefer durch, ist das Kind Mingi. Wird eine Frau schwanger, während sie noch stillt, sind sowohl das gestillte als auch das neugeborene Kind Mingi. Doch auch unehelich geborene Kinder sind als Mingi todgeweiht. Die Stämme glauben, dass es Unglück bringt, wenn ein Mingi-Kind nicht getötet wird. Wenn es die eigene Familie nicht fertigbringt, ihr Kind zu töten, übernehmen das andere Stammesangehörige. Sie bringen das Baby zu den Ältesten, die es entweder aussetzen, in einen Fluss oder von einer Klippe werfen. Wie viele Kinder auf diese Weise den Tod finden, weiß niemand genau. Da die äthiopische Regierung den Kindsmord offiziell verbietet, geschieht alles im Geheimen.

Nur selten wagen es die Mütter, sich gegen die Tradition zu stellen und mit ihren „verfluchten“Kindern zu fliehen. Abebes Mutter konnte den Mord an ihrer unehelich geborenen Tochter verhindern: Direkt nach der Geburt übergab sie das Neugeborene ihrer weit entfernt lebenden Mutter, die nun für sie sorgt.

Tödliche Traditionen durchbrechen

Niemand in der Stammesgemeinschaft, nicht einmal die Stammesführer, wissen, wann genau das Töten der Mingi-Kinder begonnen hat. Es hinterlässt in den Familien jedoch ein Trauma: „Auch nach so vielen Jahren habe ich die Ermordung meiner beiden Schwestern nicht überwunden“, berichtet ein Betroffener. Da nach Überzeugung von AVC Kinder immer ein Geschenk Gottes und nie ein Fluch sind, bemüht sich das Werk darum, Mingi-Kinder zu schützen. Die äthiopischen Partner setzen sich bei regionalen Treffen gegen diese Form der Kindstötung ein. Das letzte fand im Januar 2023 statt. Anwesend waren Vertreter der einzelnen Volksgruppen wie Clanführer, Älteste oder religiöse Führer, verantwortliche Frauen- und Kinderbeauftragte der Region und weitere Spezialisten.

Noch ein langer Weg

Aufgrund der langen Tradition der Rituale ist jedoch ein längerer Prozess erforderlich, um ein Umdenken in den Stämmen zu erreichen. Nur wenn sich die lokalen Stammesführer gegen das Morden aussprechen und sich aktiv für dessen Beendigung einsetzen, kann das unsägliche Töten unschuldiger Kinder enden. Entsprechende Gesetze kann die Regierung in den abgelegenen Stammesgebieten mit ihren tief verwurzelten Traditionen kaum umsetzen. Die Reichweite der Behörden ist hier begrenzt.

Erste Erfolge

Der Einsatz der AVC-Partner und anderer Organisationen führt ganz langsam zu einem Mingi-Kinder aus ihren Dörfern wegzugeben, etwa zu entfernten Verwandten. 73 von ihnen unterstützt AVC bereits mit einem Patenschaftsprojekt in Key Afer im südäthiopischen Benna-Tsemay-Distrikt, um sie mit Lebensmitteln zu versorgen und zur Schule zu schicken. Jedes einzelne Kind, das vor dem Tod gerettet wird, ist den Einsatz wert.

AVC – Aktion für verfolgte Christen und Notleidende schildert ihr Schicksal: avc-de.org ,