15.09.2023
EU-Parlament: Prostituierte besser schützen
Mehrheit der Abgeordneten stimmen Bericht zu: Er empfiehlt „Nordisches Modell“
Straßburg (IDEA) – Das Europäische Parlament hat die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, Prostituierte besser zu schützen. Der Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter legte den Abgeordneten einen Bericht über Regulierung der Prostitution in der EU vor. Diesem stimmten am 14. September 234 Abgeordnete zu. Es gab 175 Gegenstimmen und 122 Enthaltungen. In dem Papier heißt es, dass die bisher unterschiedlichen Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten die organisierte Kriminalität und den Menschenhandel begünstigten. Die EU-Länder sollten einheitliche Richtlinien entwickeln. Ihnen wird empfohlen, sich am sogenannten „Nordischen Modell“ zu orientieren. Dieses sieht vor, Prostituierte zu entkriminalisieren und Freier und Zuhälter zu bestrafen. Schweden gehört zu den Staaten, die dies bereits umsetzen. Laut dem Bericht belegen zahlreiche Studien, dass in der Prostitution tätige Frauen „in höherem Grade ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und Ausbeutung, darunter einem hohen Maß an geschlechtsbezogener, psychologischer, körperlicher und sexueller Gewalt“, ausgesetzt seien. Sie berichteten von Traumata, die mit denen von Folteropfern vergleichbar seien.
„Meilenstein in der Prostitutionspolitik“
Die Abteilungsleiterin der Frauenorganisation „Terre des Femmes“ (Berlin), Gesa Birkmann, nannte die Entscheidung des EU-Parlaments einen „Meilenstein in der Prostitutionspolitik“. Birkmann: „Es gibt kein Recht auf Sex, kein Recht auf Zugriff auf den Körper einer anderen Person – es gibt vielmehr das Menschenrecht auf Schutz, Würde und körperliche Unversehrtheit.“ Viel zu lange habe man zugesehen, wie vor allem Mädchen und Frauen tagtäglich dieses Rechts beraubt wurden, so Birkmann. Mit der Entscheidung habe die EU den ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Jetzt sei die EU-Kommission dazu aufgefordert, eine bessere Gesetzgebung zu erarbeiten. Bereits am 11. September hatte die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär (Bad Kissingen), ein Sexkauf-Verbot in Deutschland gefordert. Seit Einführung des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig und gilt als normales Gewerbe.
Nur ein Bruchteil ist bei den Behörden gemeldet
In Deutschland waren im vergangenen Jahr laut dem Statistischen Bundesamt 28.280 Prostituierte bei den Behörden gemeldet – 19 Prozent mehr als 2021. Ende 2019 – vor der Corona-Pandemie – waren es noch 40.370. Experten gehen aber davon aus, dass die tatsächliche Zahl weit höher liegt. Die CSU-Politikerin Bär schätzt, dass es bundesweit etwa 250.000 Prostituierte gibt.