26.09.2024

Deutschland: Missbrauchsopfer kritisieren Aufarbeitung

Kirchenkreis Lüdenscheid: Sie sei von der Kirche „aktiv verhindert worden“

Lüdenscheid (IDEA) – Opfer von sexuellem Missbrauch durch einen früheren Jugendmitarbeiter im Evangelischen Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg haben massive Kritik an der Aufarbeitung der Fälle durch die Kirche geübt. Die Betroffenen äußerten sich in einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Hintergrund: Der ehrenamtliche Mitarbeiter hatte jahrzehntelang seine Tätigkeit im CVJM Lüdenscheid und in der Evangelischen Kirchengemeinde Brügge-Lösenbach ausgenutzt, um Jugendliche sexuell zu missbrauchen. Betroffen waren über 20 Jungen. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe im Juli 2020 beging der Beschuldigte Selbstmord. Die Gemeinde, der Kirchenkreis, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe gründeten ein „Interventionsteam“, das die Taten untersuchen und aufarbeiten sollte. Eine im März vorgestellte Studie des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP/München) kam zu dem Ergebnis, das die Aufarbeitung gescheitert sei.

Betroffener: „Aufarbeitung aktiv verhindert“

Gegenüber dem Spiegel erklärte ein Betroffener, die Aufarbeitung sei „aktiv verhindert worden“. Zwar habe die Kirche „aufrichtiges Interesse simuliert“, aber die getroffenen Maßnahmen hätten keine nennenswerten Folgen gehabt. So habe die Kirche keine personellen Konsequenzen gezogen und Mitwisser davonkommen lassen. Der jahrzehntelange Missbrauch werde „behandelt wie eine Art Büroversehen, gegen das man nichts mehr machen kann“. Ein weiterer Betroffener berichtete, er habe bereits in den 1980er Jahren einen Pfarrer über den Missbrauch informiert, der aber abgewiegelt und nichts unternommen habe. Laut dem Bericht wurde er ebenso wenig dienstrechtlich belangt wie zwei weitere Pfarrer, denen Vertuschung und Mitwisserschaft vorgeworfen wurde.

„Wir haben getan, was möglich war“

Der Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg wies gegenüber dem Spiegel den Vorwurf zurück, es habe bei den Kirchenleitungen kein Interesse an der Aufarbeitung gegeben. Es seien sofort Maßnahmen ergriffen worden und Vertreter der Kirche seien „kontinuierlich im Gespräch mit den Betroffenen gewesen“. Das Interventionsteam habe „in den Monaten nach Bekanntwerden des Verdachts intensive und engagierte Arbeit geleistet“. Die frühere Missbrauchsbeauftragte der westfälischen Landeskirche, Daniela Fricke, erklärte: „Wir haben getan, was möglich war.“ Die Disziplinarverfahren gegen die Pfarrer hätten eingestellt werden müssen, weil keine Amtspflichtverletzung nachweisbar gewesen sei.