26.09.2024
Deutschland: „Sarco“
Seit Monaten wird in der Schweiz über den Einsatz einer Suizidkapsel gestritten. Jetzt wurde sie zum ersten Mal eingesetzt – obwohl die Innenministerin sie zuvor als nicht rechtskonform eingestuft hatte
Ein Kommentar der Bundesvorsitzenden der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA/Augsburg), Cornelia Kaminski (Fulda)
(IDEA) – Seit einiger Zeit sorgt die Todeskapsel „Sarco“ für Aufsehen. Sie sieht aus wie ein futuristischer Sarg, und das kommt nicht von ungefähr: Wer sich dort hineinlegt, kann auf Knopfdruck Stickstoff in die Kapsel leiten und sich so selbst töten. Das hat eine 64-jährige US-Amerikanerin am 23. September zum ersten Mal getan. Das löste den Einsatz der Staatsanwaltschaft aus, die am Tatort ihre Leiche vorfand und mehrere Personen verhaftete. Der Vorwurf lautet Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord. Zu den Verhafteten gehört auch der Co-Präsident der Schweizer Sarco-Organisation „The Last Resort“ (Der letzte Ausweg), Florian Willet.
Der Zeitpunkt ist kein Zufall
Man kann davon ausgehen, dass das „Sarco“-Team den Todeszeitpunkt sehr bewusst gewählt hat. Am selben Tag hatte die Schweizer Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider dem Nationalrat erklärt, dass sie einen Einsatz der Todeskapsel in der Schweiz für rechtswidrig hält. Statt über die Unrechtmäßigkeit der Todeskapsel zu debattieren, steht jetzt dessen erste erfolgreiche Nutzung im Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Für das Sarco-Team um Florian Willet, Philip Nitschke, den australischen Erfinder der Kapsel, und seine Partnerin Fiona Stewart ist das sehr erfreulich: Sie haben sich bewusst beeilt, um eine erste erfolgreiche Nutzung vermelden zu können, bevor die gesellschaftliche Stimmung so negativ geworden wäre, dass sie weitere Nutzer abgeschreckt hätte.
Auch die nun erfolgte Verhaftung der Verantwortlichen ist Kalkül. Das Sarco-Team will damit einen Rechtsstreit provozieren. Darin soll die rechtmäßige Nutzung des Sarco in der Schweiz festgestellt werden. Ein entsprechend positives Gutachten aus dem Jahr 2021 liegt dem Team vor.
Gesellschaftliche Bankrotterklärung
Der Sarco ist die greifbare Glorifizierung eines Aktes, der schrecklicher nicht sein könnte. Wer sich selbst tötet, wirft damit Gott und der Gesellschaft das Kostbarste vor die Füße, was er besitzt: sein eigenes Leben. Mag sein, dass es beschwerlich geworden ist, mag sein, dass man des Lebens überdrüssig ist und man daher in einem letzten Akt vermeintlicher Autonomie meint, selbstbestimmt eine endgültige Lösung herbeiführen zu können. Tatsache ist: Jeder Selbstmord hinterlässt ein traumatisiertes Umfeld, in dem nicht wenige Personen anschließend selbst suizidgefährdet sind. In Kanada steigen die Zahlen des assistierten Suizids unaufhörlich – innerhalb von sieben Jahren um 1.500 Prozent. Die Sterbeorganisation Exit, die mit Sarco kooperiert, baut mittlerweile ihr Angebot in Schweizer Pflegeheimen aus. Die Zahl der Exit-assistierten Suizide in Alters- und Pflegeheimen steigt jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Das ist keine „positive Entwicklung“, wie es auf der Webseite von Exit heißt, sondern eine gesellschaftliche Bankrotterklärung. Wer einen letzten Akt der totalen Verzweiflung glorifiziert, statt Geld und Forschung in die Suizidprävention zu investieren, begeht ein Verbrechen gegen die Menschenwürde und gegen eine humanitäre Gesellschaft.