15.05.2025

Nigeria: Wie internationale Medien die religiösen Aspekte der Gewalt verschweigen

IIRF-D/ICC/Tübingen/15.05.25 - Man sollte meinen, dass es schwer ist, die religiöse Motivation eines Massakers zu übersehen, wenn die Opfer alle Christen sind und das Massaker an Weihnachten, Palmsonntag oder Ostern stattfindet.  

Aber viele Menschen, die in den Medien arbeiten, haben bewiesen, dass sie fast unheimlich geschickt darin sind, die religiöse Motivation hinter solcher Gewalt zu verschweigen.

Es lohnt sich, einen Blick auf bestimmte Auszüge zu werfen, die genau zeigen, wie die Medien mit der politisch unbequemen Realität umgehen, dass nigerianische Christen ständig gejagt werden.

Ein aktuelles Beispiel tauchte auf, als am Palmsonntag, dem 13. April, mehr als 50 nigerianische Christen bei einem Angriff ermordet wurden. Frankreichs führende Zeitung Le Monde veröffentlichte kurz darauf einen Artikel, in dem erwähnt wurde, dass der Angriff an einem Sonntag stattfand, vergaß aber zu erwähnen, dass es Palmsonntag war. Dieses faktische Detail würde eine klare religiöse Motivation zeigen. Ist das der Grund, warum es weggelassen wurde?  

Am Weihnachtstag 2024 wurden Dutzende nigerianische Christen abgeschlachtet. Aber Weihnachten 2023 war noch tödlicher, als eine Reihe von Anschlägen Hunderte ermordete und verstümmelte. CNN veröffentlichte einen Artikel zu dem Thema, erwähnte aber weder Weihnachten noch die Religion der Opfer.  

Der deutsche Medienriese Deutsche Welle veröffentlichte einen Artikel am 25. Dezember 2023, erwähnte aber auch nichts über Weihnachten oder darüber, dass es sich bei den Opfern um Christen handelte.  

Der Guardian, ein großes britisches Medienunternehmen, veröffentlichte am  25. Dezember ebenfalls einen Artikel, versäumte es aber, Weihnachten oder die Religion der Opfer zu erwähnen. Stattdessen erwähnte der Artikel den "Wettbewerb um natürliche Ressourcen", der durch den "Klimadruck" – auch bekannt als Klimawandel oder globale Erwärmung – verschärft wird. Diese "Klima"-Probleme in Nigeria werden oft von Medien beschworen, die versuchen, den religiösen Aspekt der Gewalt zu verschweigen.  

Nach einem Massaker in einer katholischen Kirche in Nigeria im Juni 2022 bemerkte der örtliche katholische Bischof: "40 meiner Leute wurden nicht wegen der globalen Erwärmung getötet, sondern weil sie Christen waren."

Obwohl sich dieser Akt des Chaos in einer Kirche abspielte, sorgte NPR dafür, dass der Afrika-Korrespondent nicht zu viel über Religion sagte. So wurde der Inhalt weitestgehend bei der Aussage belassen: "Aber jetzt ist diese Gemeinschaft auch eine von denen, die in Nigerias pastoralen Konflikt verwickelt sind, der das Land seit vielen Jahren plagt."

Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, dass, wenn im Grunde die gesamte Gewalt von einer Seite verübt wird, es sich nicht so sehr um einen "Konflikt" handelt, sondern um anhaltende Übergriffe.

Ein nigerianischer Priester, verärgert über die irreführenden Beschreibungen der Medien, versuchte, die Dinge richtig zu stellen: "Es ist kein Zusammenstoß, es ist ein schleichender Völkermord."

Was die Berichterstattung der BBC  über das Kirchenmassaker betrifft, so sagten sie: "Nigeria ist mit einer Verschlimmerung der Gewalt durch bewaffnete Gruppen konfrontiert."

Beachten Sie, dass hier nicht spezifiziert wird, welche Art von "bewaffneten Gruppen" hinter der "sich verschlimmernden Gewalt" stehen. Die Beschreibung von "bewaffneten Gruppen" ist so vage, dass sie keinen Zweck erfüllt – es sei denn, Verschwommenheit ist das Ziel.

Die Vermeidung religiöser Beweggründe hinter der Gewalt in Nigeria durch die Medien ist kein neues Phänomen. Etwa eine Woche nach einer Reihe von Bombenanschlägen auf Kirchen am Weihnachtstag 2011 in Nigeria veröffentlichte die New York Times einen Kommentar mit dem Titel "In Nigeria ist Boko Haram nicht das Problem".

Dieser merkwürdige Leitartikel, der wahrscheinlich einen Nobelpreis für unangebrachte Sensibilität verdient hätte, warnte uns davor, Boko Haram zu dämonisieren und uns an "einer Eile des Urteils, die Nigerias komplexe Realität verdunkelt", zu beteiligen. Dann forderte sie die US-Regierung auf, Boko Haram nicht auf die "Liste ausländischer Terroristen" zu setzen, da dies "mehr Nigerianer dazu bringen könnte, vor Amerika Angst zu haben und ihr zu misstrauen".

 

Emmanuel, ein Christ aus dem stark muslimischen Nordosten Nigerias, sagte diesem Korrespondenten, dass viele Menschen um ihn herum "nicht glauben, dass Christen normale Menschen sind, sondern Schweine und Heiden". Einige Orte in Emmanuels Region sind so gefährlich, dass er, wenn er seine Landeshauptstadt besuchen muss oder will, auf Umwegen reisen muss, was die Reise in einen anderen Bundesstaat beinhaltet. Wenn er den direkteren Weg wähle, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass er "wie ein Tier abgeschlachtet wird", sagte er. "Es gibt Grenzen, die wir nicht zu überschreiten wagen."

Emmanuel hat das Gefühl, dass viele Medien die religiösen Aspekte der Gewalt in Nigeria ignorieren. Er kann auch nicht erwarten, dass die nigerianischen Christen viel Hilfe von ihrer eigenen Regierung erhalten werden.

Nigerias derzeitiger Präsident, Bola Tinubu, ist Muslim, ebenso wie der derzeitige Vizepräsident Kashim Shettima. Der vorherige Präsident, Muhammadu Buhari, ist der Sohn eines Fulani-Häuptlings. Dies machte ihn zu einem eher unwahrscheinlichen Kandidaten, um gegen die anhaltende Gewalt der Fulani vorzugehen, die Berichten zufolge zur größten Bedrohung für nigerianische Christen  geworden ist.

Seit Jahrzehnten versorgen wohlhabende Fulani ihre militanten Stammesgenossen mit AK-47-Sturmgewehren und anderen Waffen. Viele nigerianische Christen betrachten dieses anhaltende Bestreben als Teil der allgemeinen Bemühungen, die islamistische Herrschaft in ganz Nigeria auszuweiten.

In einem Artikel des Religion News Service  vom April wird erwähnt, dass viele Nigerianer Angst haben, an Ostern in die Kirche zu gehen. Diese nigerianischen Christen haben begiffen, dass der sogenannte "pastorale Konflikt" ihres Landes die Eigenart an sich hat, sich vor allem an christlichen Feiertagen durchzusetzen.  

Hier ist ein Auszug aus demselben Artikel, der beschreibt, was in Nigeria passiert: "Vor allem Fulani-Extremisten nehmen zunehmend christliche Bauern ins Visier, um ihr Land und ihr Vieh zu übernehmen. In ihrem Bestreben, ein islamisches Kalifat zu errichten, schüchtern die Extremisten auch Christen ein und verlangen von ihnen, zum Islam zu konvertieren oder dem Tod ins Auge zu sehen."

Beachten Sie, wie der obige Auszug es wagt, die wiederkehrenden Täter, ihre Religion und ihre Sicht auf Christen in aller Deutlichkeit zu erwähnen.

Da es praktisch keine Chance gibt, sie vor Gericht zu stellen, werden diese Täter und ihre Ansichten noch eine ganze Weile hier bleiben. Es ist eine sichere Wette, dass einige von ihnen im Augenblick ihren nächsten Anschlag auf christliche Opfer planen.

Und es ist ebenso sicher, dass, wenn der Anschlag eine ausreichend hohe Zahl von Todesopfern fordert, Mitglieder prominenter Medien sich an die Arbeit an ihrem nächsten Artikel oder ihrer nächsten Sendung machen werden. Sie werden die akzeptablen Schlagworte über Spannungen zwischen Bauern und Hirten, Gewalt aufgrund des Klimawandels, bewaffnete Banditen – alles verwenden, um die Religionszugehörigkeit von Täter und Opfer zu verschleiern.

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