22.05.2020

Iran/Deutschland: Kritik am Verwaltungsgericht Düsseldorf

Wenn Richter über den Glauben von Asylbewerbern urteilen müssen

(idea) Ein muslimisches Ehepaar aus dem Iran, das in seinem Heimatland zum christlichen Glauben gefunden hat, lässt sich bei einem Besuch in Deutschland taufen. Doch dann taucht ein Video von der Taufe mit den Namen der beiden im Internet auf. Das Ehepaar – Elham Fazaeli und Vahid Tahami – stellt daraufhin einen Asylantrag. Doch der wird abgelehnt. Auch vor Gericht bekommen die beiden kein Recht. Jetzt droht ihnen die Abschiebung in den Iran und damit eventuell der Tod. Ein Bericht von idea-Redakteur Klaus Rösler

Elham Fazaeli und Vahid Tahami gehören im Iran zur wohlhabenden Mittelschicht. Vahid (33) ist Elektroingenieur, Elham (34) organisiert Weiterbildungen in einem chinesischen Konzern. Zwar leben sie in einem stark vom Islam geprägten Land, aber der Glauben an Allah spielt in ihrem Leben keine Rolle. Doch Vahid geht es nicht gut. Nur zweieinhalb Wochen nach der Hochzeit 2013 stirbt sein Vater. Vahid bekommt daraufhin Depressionen, hat Angst vor dem Tod, die Lebensfreude schwindet. Das belastet die junge Ehe. Im Oktober 2016 besucht eine in den USA lebende Freundin das Ehepaar. Sie ist ebenfalls Iranerin – und Christin. Sie sieht, wie Vahid leidet und fragt, ob sie für ihn beten darf. Sie darf. Und tatsächlich erlebt Vahid ein Wunder. Nach dem Gebet fühlt er sich erleichtert. Mehrere Monate lang beschäftigen er und seine Frau sich daraufhin mit der Bibel, durchforsten das Internet nach Informationen über den christlichen Glauben. Bei einem Besuch in Frankreich nehmen sie in Paris erstmals in ihrem Leben an einem christlichen Gottesdienst teil. Nach der Rückkehr in den Iran stoßen sie im März 2017 auf eine Fernsehsendung des christlichen Senders Sat-7. Als der Verkündiger dazu aufruft, Jesus Christus das eigene Leben zu übergeben, tun sie das mit einem Gebet. Bei einem weiteren Besuch in Deutschland lassen sie sich am 5. Juni 2017 in der Persischen Gemeinde in Dortmund taufen.

Von ihrer Taufe gibt es ein Video, das Vahid sich auf seinen Computer zieht. Doch dann geht der Computer kaputt. Vahid übergibt ihn seinem Schwager zur Reparatur. Der kennt sich damit aus. Zu dem Mann hat er ein gutes Verhältnis. Außerdem schuldet er ihm noch einen Gefallen. Denn das Ehepaar hat ihm rund 80.000 Euro für den Kauf einer Wohnung geliehen. Das will er zurückzahlen, wenn die Bank ihm einen entsprechenden Kredit bewilligt. Doch auf das Geld warten sie bis heute.

Ein Video von der Taufe taucht im Internet auf

Während des nächsten Aufenthaltes des Paares in Deutschland – geplant ist ein Besuch vom 22. Dezember 2017 bis zum 2. Januar 2018 – erhalten sie am 23. Dezember eine anonyme Nachricht mit einem Link auf ihrem Handy. Er führt zu dem Video von ihrer Taufe, das auf YouTube zu sehen ist, wobei ihre vollen Namen zu sehen sind. Muslimen ist es im Iran verboten zu konvertieren („Abfall vom Glauben“). Konvertiten drohen Haft, Folter und sogar der Tod. Vahid vermutet, dass sein Schwager das Video hochgeladen hat, um so die Rückkehr des Ehepaares in den Iran zu verhindern und seine Schulden nicht zurückzahlen zu müssen.

Dann überschlagen sich die Ereignisse. Am Abend des 30. Dezember ruft Elhams Mutter an. Unter Tränen berichtet sie, dass die Polizei in ihr Haus gekommen sei, alles durchsucht und eine Bibel gefunden habe. Auch Nachbarn wurden verhört. Die Beamten wollten wissen, wann das Ehepaar zurückkommt. Am Telefon bittet die Mutter ihre Tochter, auf keinen Fall zurückzukehren: „Ich will einfach nur, dass ihr sicher seid und am Leben bleibt.“ Das Ehepaar fällt eine weitreichende Entscheidung. Am 4. Januar 2018 lassen sie sich in Bochum als Flüchtlinge registrieren.

Ein Moslem als BAMF-Entscheider

Schon acht Tage später werden sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Mönchengladbach befragt. Die Verhandlung ist für die beiden ein Schock. Denn der Entscheider wie auch der Übersetzer, ein Afghane, sind Muslime. Ein Moslem soll also entscheiden, ob ihr Glaube an Jesus Christus echt ist und ob sie im Iran ihren neuen Glauben bekennen würden! Wie man aus der Urteilsbegründung erkennt, war der Mann damit völlig überfordert. Denn er kommt zu dem Ergebnis: „Es ist nicht glaubhaft, dass ein lebenserfahrener Mensch auf einmal und ohne erkennbaren Grund sich nun einer anderen, auch noch geächteten Religion im lran zuwendet und somit Gefahr läuft, wegen Apostasie (Abwendung von einer Religion, Anm. d. Red.) angeklagt und bestraft zu werden.“ Er schließt daraus, dass sie sich nur als Christen bezeichnen, um sich Asyl zu erschleichen.

 

In der Zwischenzeit hält sich das in Willich lebende Ehepaar zur Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in Krefeld. Zu dieser Brüdergemeinde gehört der frühere Leiter von Forum Wiedenest, Gerd Goldmann. Er ist begeistert von dem Ehepaar, das die Gottesdienste regelmäßig besucht und sich in der Gemeinde einbringt. Aber nach einem halben Jahr muss das Ehepaar nach Simmerath in der Eifel umziehen. Dort wird Tochter Nelly geboren. Ralf Michael Linzenmeier, ein Presbyter der evangelischen Kirchengemeinde in Lammersdorf bei Simmerrath, kümmert sich um die junge Familie. Sie schließt sich der Kirchengemeinde an und zählt dort zu den wenigen regelmäßigen Gottesdienstbesuchern.

Verwaltungsgericht hält den Glauben für vorgeschoben

Weil die beiden gegen die BAMF-Entscheidung Rechtsmittel eingelegen, müssen sie am 26. Februar 2020 in Düsseldorf vor das Verwaltungsgericht. Doch das weist die Klage ab. Der Richter hält die Bekehrungsschilderungen des Paares wie der BAMF-Entscheider für nicht glaubwürdig. Auch für ihn ist der christliche Glaube des Ehepaares nur vorgeschoben, um in Deutschland bleiben zu können.

Zu diesem Urteil organisiert Gerd Goldmann drei theologische Gutachten. Die Gutachter sollen die Frage beantworten, ob sie allein aus den im Urteil wiedergegebenen Äußerungen der beiden Iraner erkennen können, dass sie wirklich überzeugte Christen sind. Sie haben nur Einsicht in das Urteil und keinen Kontakt zu den Iranern. Ein Text stammt vom Leiter des in Ägypten tätigen Missions- und Hilfswerks EMO, Reinhold Strähler (Wiesbaden), einer von Goldmanns Nachfolger in Wiedenest, Ulrich Neuenhausen, und einer von dem europaweit bekannten Evangelisten und Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel).

Drei theologische Gutachten, ein Ergebnis

Strähler, der 20 Jahre im islamischen Ausland tätig war und sich intensiv mit Konversionsforschung befasst, kommt zu dem Ergebnis, dass aus den Angaben der beiden „ein glaubhafter Konversionsprozess nachvollzogen werden kann“. Ulrich Neuenhausen, fast fünf Jahre im islamischen Ausland und zehn Jahre Vorsitzender des Arbeitskreises Islam der Deutschen Evangelischen Allianz, erkennt in den Aussagen des Ehepaares eine „besondere Glaubwürdigkeit“: „Der ehrliche Umgang mit ihrem Erleben ist für mich ein starkes Argument für die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen.“ Ulrich Parzany schreibt, dass der Richter „offensichtlich keine Kenntnis über und darum auch kein Verständnis für die persönlich intensive Glaubenserfahrung hat, die für evangelische Christen weltweit und über Kulturgrenzen hinweg kennzeichnend ist“. Gerd Goldmann ist bestürzt: „Ich bin entsetzt, dass ein fachfremder Richter ohne theologische Gutachter eine so schwerwiegende Entscheidung fällen kann! Da kommen starke Zweifel an unsrem Rechtsstaat auf.“ Ihn stört, dass ein Richter sich anmaßt, die Echtheit des Glaubens besser beurteilen zu können als Seelsorger, die sich lange Zeit mit den konvertierten Christen beschäftigt haben.

Das Ehepaar ist tief enttäuscht

Ein Antrag auf Zulassung einer Berufung ist für Goldmann aussichtslos. Er hofft nun, dass „die beiden wertvollen und gebildeten Menschen“ mit ihrer kleinen Tochter doch noch in Deutschland bleiben dürfen. Elham und Vahid sorgen sich um ihre Zukunft in Deutschland: „Wir sind tief enttäuscht, dass unsere Hinwendung zu Jesus Christus, die uns so viel gekostet hat, nicht ernst genommen wird.“ Zugleich haben sie einen Wunsch: „Dass noch viele unserer Landsleute zu Jesus finden.“