26.07.2021

BELARUS: „Der Kirche ihren Platz zuweisen“

AKREF-A/F18/26.07.21 - Im Rahmen eines andauernden harten Vorgehens gegen die Zivilgesellschaft seit den manipulierten Präsidentenwahlen vom August 2020 übt das Regime von Aleksandr Lukaschenko Druck auf die Religionsgemeinschaften aus, um deren Unterstützung zu erlangen. Gleichzeitig versucht der Staat, die seit dem gewaltsamen Vorgehen des Regimes nach der Wahl von vielen Gemeinschaften organisierten Gebete für die Zukunft von Belarus zu Gebeten für die Regierung umzufunktionieren. Außerdem übt das Regime Druck aus, um Gebete für politische Gefangene zu unterbinden.

Die Geheimpolizei KGB, die ihren Namen aus der Ära der Sowjetunion beibehalten hat, sorgt für eine strenge Überwachung von Regimegegnern bzw. vom Regime als solche wahrgenommenen Personen. Betroffen sind Geistliche und aktive Mitglieder vieler verschiedener Religionsgemeinschaften und Initiativen.

Seit August 2020 hat die Orthodoxe Kirche von Belarus, die größte Religionsgemeinschaft des Landes, Bischöfe und Angehörige des niederen Klerus abgesetzt, die als Regimegegner wahrgenommen werden. Menschenrechtsaktivisten haben gegenüber Forum 18 erklärt, dass die Kirche der Regierung auch Listen von Priestern, die die Proteste gegen das Regime unterstützten, übergeben habe.

Ein betroffener ranghoher Geistlicher der orthodoxen Kirche war Erzbischof Artemij von Grodno, der 2020 in der Öffentlichkeit mutig Position zur soziopolitischen Krise im Land bezogen hatte und nunmehr – so die offizielle Lesart – im Juni 2021 „aus gesundheitlichen Gründen“ zurücktrat. Allerdings erklärte der Erzbischof gegenüber Radio Free Europe, dass es sich um eine Absetzung auf Anweisung des Staates handelte. Er erklärte weiters, dass das Regime seit der Wahl vom August 2020 eine „allgemeine Säuberung“ vorgenommen habe. „Während sie ein bisschen Ruhe haben, haben sie Zeit, der Kirche ihren Platz zuzuweisen, da nicht alle Persönlichkeiten der Kirche das bestehende Regime unterstützen.“

Das Regime hat auch die römisch katholische Kirche, die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Belarus, wiederholt kritisiert und verwarnt. Im Jahr 2020 wurde der damalige Erzbischof von Minsk Tadeus Kondrusiewicz für vier Monate ins Exil gezwungen und trat nach seiner Rückkehr zurück. Das Regime hat auch Priester bestraft, die die Proteste unterstützten. Unter anderem wurden neue Anklagen gegen Wjatscheslaw Barok erhoben, der sich gegen den Wahlbetrug und die gewaltsamen Übergriffe des Regimes geäußert hatte. Anfang Juli ist er ins Nachbarland Polen geflohen.

Den zahlreichen protestantischen Gemeinschaften und kleineren Religionsgemeinschaften sind bisher staatliche Repressalien im Zusammenhang mit Regierungskritik oder Unterstützung der Opposition erspart geblieben.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 23. Juli 2021)

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA