29.06.2002

Pakistan: Morddrohungen gegen pakistanische Anwälte

Extremisten wollen die Verteidiger der wegen "Blasphemie" Angeklagten<br />töten

Pakistan: Morddrohungen gegen pakistanische Anwälte

Extremisten wollen die Verteidiger der wegen "Blasphemie" Angeklagten
töten

(Compass Direct/offenegrenzen.de) - Zwei Anwälte, die pakistanische Christen und Muslime bei Blasphemie-Anklagen verteidigen, erhielten jetzt Morddrohungen, nachdem es während der vergangenen zwei Wochen zu einer Reihe von offenen Warnungen örtlicher Extremisten gegen "Feinde des Islams" gekommen war.

Sowohl der Anwalt Pervaiz Aslam Chaudhry (der Christ ist) in Lahore als auch der Anwalt Khalil Tahir in Faisalabad (der Muslim ist) bestätigten Compass gegenüber, daß Unbekannte sie und ihre Familien am Samstag, dem 8. Juni, bedrohten.

Chaudhry, leitender Rechtsanwalt für das Center for Legal Aid Assistance and Settlement (CLAAS), befand sich auf dem Weg zum Gericht, als vier Männer auf Motorrädern in einer Hauptstraße Lahores sein Auto stoppten, ihn ordinär beschimpften und ihm den Tod androhten, wenn er die Verteidigung in dem anstehenden Fall nicht niederlegen würde.

Aufgrund der direkten Drohungen nervlich angeschlagen, meldete Chaudhry den Vorfall bei Gericht und die Verhandlung wurde auf den 13. Juni verlegt.

Chaudry, der verheiratet ist und drei Kinder hat, sagte, er habe "als Feind des Islams" bereits zweimal zuvor Drohungen erhalten, weil er ul-Hassan verteidigt, einen jungen Muslim, der aufgrund eines fadenscheinigen "Soll gesagt-Habens" inhaftiert ist. Er verteidigt auch einige der der Blasphemie beschuldigte Christen. Seither hatte er gelegentlich einen Verfolger auf einem Motorrad bemerkt und seine Frau hatte etliche telefonische Drohanrufe entgegengenommen.

Der Anwalt hatte jeweils bei allen einschlägigen Behörden Anzeige erstattet und um Schutz gebeten, um seine Fälle ordnungsgemäß vortragen zu können, z. B. den Einspruch der Brüder Saleem und Rasheed Masih - zwei seit 1999 inhaftierte und zu Lebenslänglich verurteilte Christen.

Während am Samstag Morgen in Faisalabad der Rechtsanwalt Khalil Tahir bei Gericht war, um den inhaftierten Christen Ranjha Masih zu verteidigen, fuhren vor seinem Haus vier Männer auf Motorrädern vor. Auf ihr Klopfen hin öffnete seine Frau jedoch nicht, sondern verlangte, sie sollten sich ausweisen. Die Männer verschwanden, als zufällig die Eltern der Frau eintrafen.

Am 28. Mai hatte es spät in der Nacht einen Telefonanruf gegeben, in dem erst Tahids Frau und danach ihm selbst der Tod der ganzen Familie angedroht wurde. "Deine Tage sind jetzt gezählt. Bald bist du gewesen," hatte der Anrufer Tahid gegenüber hinzugefügt.

Tahid berichtete Compass, dass er jetzt ständig von Polizisten in Zivil begleitet wird. Seine Familie sowie die Schwiegereltern sind an einen sicheren Ort umgezogen. Um sich selbst habe er keine Angst, sagte Tahid, wohl aber um seine drei Kinder. (www.offenegrenzen.de)

Richter und Gerichte stehen oft unter dem Druck islamischer Extremisten und verzögern Urteile jahrelang. So wurde etwa der Richter Arif Bhatti, der die Christen Rahmat und Salamat Masih vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen hatte, am 10.Oktober 1997 in seinem Büro in Lahore von einem Mitglied einer militanten islamischen Organisation erschossen.