07.08.2007
München/Deutschland, 17.07.2007 (idea) Die schlimmste Christenverfolgung der Gegenwart
läuft derzeit im Irak ab. Die fast 2.000-jährige Geschichte des aramäischen Christentums dort
könnte bald zu Ende sein. Das befürchtet der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte
Völker, Tilman Zülch (Göttingen). Er sprach am 16. Juli in München vor knapp 400 Gästen
einer Expertentagung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung zum Thema Christenverfolgung.
Christen im Irak würden gekreuzigt, enthauptet, vergewaltigt und vertrieben, so Zülch.
Dramatisch beschrieb die Situation im Irak auch Prof. Harald Suermann vom Institut für Orientund
Asienwissenschaften in Bonn. Christen würden dort besonders häufig entführt, weil sie
zahlungskräftig seien oder oft finanziell besser gestellte Verwandte im Ausland hätten.
Entführte Frauen würden gefoltert und häufig auch sexuell missbraucht. Als Folge begingen
viele von ihnen nach der Freilassung Selbstmord.
Wenn Frauen Jeans tragen
Islamisten im Irak reagieren laut Suermann gewalttätig auf westlichen Lebensstil – wenn etwa
Alkohol, westliche Musik oder Videos verkauft würden oder Friseure und Schönheitssalons ihre
Dienste anböten. In den Großstädten Bagdad, Kirkuk und Mossul seien in den vergangenen zwei
Jahren Bombenanschläge auf rund 30 Kirchen verübt worden. Frauen seien Opfer von
Säureanschlägen geworden, weil sie Jeans trugen oder sich nicht nach muslimischer Sitte
verschleierten. Christliche Geistliche könnten sich aus Angst vor Anschlägen nicht in
Amtstracht auf der Straße zeigen. Von den Kuppeln der Kirchen habe man die Kreuze entfernen
müssen. Lediglich aus dem kurdischen Norden des Landes gebe es keine Berichte von gezielten
Anschlägen. Dorthin flüchteten immer mehr irakische Christen. Dagegen seien von rund 1.000
christlichen Familien im südlichen Basra nur noch 350 in der Stadt. Von den 26 Millionen
Irakern sind 97 Prozent Muslime und etwa 2,7 Prozent Christen.
Biergärten in Kairo
Andere Erfahrungen mit dem Islam macht der Theologe und Orientalist Frank van der Velden
von der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo. Obwohl rund 90 Prozent der etwa
65 Millionen Einwohner Ägyptens Muslime seien, gebe es in der Stadt Biergärten und Schönheitssalons. Die meisten Muslime verstünden den Begriff „Dschihad“ – Heiliger Krieg –
nicht mehr kriegerisch wie im Mittelalter. Allerdings nehme die Islamisierung zu, was sich an
verstärktem Tragen des Kopftuchs und einer strengeren Beachtung des Fastenmonats Ramadan
zeige. Die koptischen Christen, die knapp zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, genössen
von staatlicher Seite aus Anerkennung. So sei der 7. Januar – das koptische Weihnachtsfest –
ein staatlicher Feiertag. Gottesdienste zu Weihnachten und zu Ostern würden im Fernsehen
übertragen.
Präsident muss Kirchen genehmigen
Gewaltausbrüche, die es in den vergangenen Jahren in Oberägypten zwischen Muslimen und
Christen gegeben hat, treffen nach Beobachtung van der Veldens bei der politischen Führung
sowie in der Presse auf scharfe Ablehnung. Allerdings lebten die Christen ihre Freiheit nur
aufgrund von Privilegien des Staatspräsidenten. Jeder Kirchenneubau müsse über dessen
Schreibtisch, während Moscheebauten von den Behörden genehmigt werden könnten. Das
müsse für die Christen allerdings kein Nachteil sein, weil es manchmal leichter sein könne, über
den Staatspräsidenten einen Kirchenbau durchzuziehen als einen Moscheebau auf dem Weg
über die zuständigen Ämter.
Quelle: Evangelische Nachrichtenagentur idea, Wetzlar/Deutschland