03.12.2007

Deutschland: Hausschul-Eltern können Sorgerecht verlieren

Bundesgerichtshof: Religiös geprägten "Parallelgesellschaften" entgegenwirken

Deutschland: Hausschul-Eltern können Sorgerecht verlieren

Bundesgerichtshof: Religiös geprägten "Parallelgesellschaften" entgegenwirken

Karlsruhe / Dreieich (idea) - 17.11.07- Eltern, die ihre Kinder aus Glaubensgründen
von der Schule fernhalten, kann zumindest teilweise das Sorgerecht entzogen werden. Das
entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem 16. November veröffentlichten
Beschluss. Es liege im Interesse der Allgemeinheit, der Entstehung von religiös oder
weltanschaulich geprägten "Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken, heißt es zur Begründung.
Im vorliegenden Fall ging es um zwei Familien, die der Glaubensgemeinschaft der
Evangeliumschristen-Baptisten in Paderborn angehören. Die Spätaussiedler beharrten darauf,
zwei ihrer Kinder nicht in die Grundschule zu schicken. Darauf entzog ihnen das Familiengericht
Paderborn das Sorgerecht in Schulangelegenheiten für diese Kinder und auch das
Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Gericht bestellte das Jugendamt der Stadt als Pfleger. Die
Eltern, die den Sexualkundeunterricht als zu freizügig ablehnen und sich auch gegen die
Evolutionslehre im Biologieunterricht wandten, brachten ihre Kinder - mit Einwilligung des
Jugendamtes - nach Österreich. Dort erteilt ihnen eine der Mütter Hausunterricht, was nach
österreichischem Recht möglich ist. Nach Einschätzung des BGH hat sich das Jugendamt
offenkundig als ungeeignet erwiesen, den Gefahren für das Kindeswohl wirksam zu begegnen.
Nun muss das Oberlandesgericht Hamm einen geeigneten Pfleger finden oder durch Weisungen
sicherstellen, dass die Kinder ihrer Schulpflicht in Deutschland nachkommen. Es hatte im Februar
den teilweisen Entzug des Sorgerechts bestätigt (AZ: XII ZB 41/07 und XII ZB 42/07 -
Beschluss vom 11. September 2007).
Hausschul-Inititative: Kindeswohl bleibt außen vor
Kritik an dem BGH-Urteil übte die Initiative "Schulunterricht zu Hause" (SchuzH). Deren
Mitbegründerin und Rechtsanwältin Gabriele Eckermann (Dreieich bei Frankfurt am Main)
bedauerte, dass die Schulpflicht in Deutschland höher als das Elternrecht erachtet werde: "Doch
das Kindeswohl bleibt außen vor." Es sei zudem unverständlich, dass der BGH für ein im
Ausland lebendes deutsches Kind den Schulbesucht in Deutschland zur Pflicht mache, aber dabei
europäische Gesetze, die den Hausunterricht erlaubten, nicht berücksichtige. Dabei habe die
Pisa-Studie gezeigt, dass das deutsche Schulsystem vielfach krank sei. Der Bund
Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden) hat in der
Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass die in der Presse meist als "Baptisten"
bezeichneten Hausschul-Eltern nicht einer Gemeinde der Freikirche angehören. Nach
Überzeugung der Bundesgeschäftsführung der Freikirche ist eine Heimbeschulung "kein
sinnvolles pädagogisches Modell". "Wir können als Christen nicht aus dieser Welt auswandern",
heiß t es in einer Erklärung. Ursprünglich hat ten sieben Familien der
Evangeliumschristen-Baptisten im Raum Paderborn ihren Kindern den Besuch der Grundschule
aus religiösen Gründen verboten. Fünf dieser Familien meldeten ihre Kinder inzwischen an einer
christlichen Bekenntnisschule in Heidelberg an.