03.12.2007

Sudan: Lehrerin wegen eines Teddy-Namens bestraft

Der Sudan-Beauftragter der EKD Gerrit Noltensmeier: Scharia als Staatsgesetz ist ein Skandal

Sudan: Lehrerin wegen eines Teddy-Namens bestraft

Der Sudan-Beauftragter der EKD Gerrit Noltensmeier: Scharia als Staatsgesetz ist ein Skandal

K h a r t u m (idea) - 30.11.07– Im Sudan ist die englische Grundschullehrerin Gillian Gibbons
am 29. November wegen Verunglimpfung des Propheten Mohammed zu 15 Tagen Haft
verurteilt worden. Danach soll sie in ihr Heimatland abgeschoben werden.
Der Grund für die Verurteilung: Sie hatte ihren siebenjährigen Schülern einen Teddybären
mitgebracht, dem sie einen Namen geben sollten. Die Kinder entschieden sich für Mohammed.
Das entrüstete einige muslimische Eltern. Nach Protesten islamischer Extremisten wurde die
54-jährige Pädagogin am 25. November in einer Privatschule in Khartum festgenommen. „Es
waren Männer mit langen Bärten; sie fragten, wo sie sei, und sagten, sie wollten sie töten“,
berichtete Schulrektor Robert Boulos der Londoner Tageszeitung The Times. Nach dem im
Norden des Sudans geltenden islamischen Gesetz, der Scharia, hätte sie auch zu 40 Stockhieben
oder einer Geldstrafe verurteilt werden können.
Noltensmeier: Scharia für Nicht-Muslime?
Auf Anfrage von idea nahm der Sudan-Beauftragte des Rates der EKD, der frühere lippische
Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier (Detmold), zu dem Fall Stellung. Er beklagte, dass
der Sudan die Scharia im überwiegend von Muslimen bewohnten Norden des Landes zum
staatlichen Gesetz erhoben habe. Dadurch könne die Justiz mit Menschen nicht-islamischer
Prägung nicht angemessen umgehen, und dies sei ein Skandal. Auch im Norden lebten
Angehörige religiöser Minderheiten. Das Ökumenische Forum im Sudan, dem Noltensmeier
vorsteht, werde sich auf der nächsten Sitzung im Dezember mit diesem Fall beschäftigen.
Gleichzeitig plädierte Noltensmeier dafür, feinfühlig mit religiösen Gefühlen umzugehen. Das
habe die Lehrerin beachten müssen. Darauf habe man auch im Streit um Mohammed-Karikaturen
einer dänischen Zeitung hingewiesen, der zu gewalttätigen Ausschreitungen muslimischer
Extremisten geführt hatte. Im Sudan ist der Islam Staatsreligion. Von den rund 30 Millionen
Einwohnern sind 65 Prozent Moslems, 24 Prozent Christen und elf Prozent Anhänger von
Naturreligionen.
Wo bleibt der gesunde Menschenverstand?
Der Fall der englischen Lehrerin hat auch zu politischen Spannungen geführt. Der britische
Außenminister David Miliband appellierte gegenüber dem sudanesischen Botschafter Omer
Mohammed Siddig an den „gesunden Menschenverstand“. Frau Gibbons habe den Propheten
nicht beleidigen wollen. Ihr Verteidiger Kamal Dschizuri hatte darauf aufmerksam gemacht, dass
viele Muslime Mohammed heißen. Was geschehe, wenn einer von ihnen zum Dieb würde, fragte
der Rechtsanwalt. Hochrangige Vertreter der Muslime in Großbritannien haben das Vorgehen
der sudanesischen Justiz verurteilt. Der Generalsekretär des Muslimischen Rats, Muhammad
Abdul Bari, zeigte sich entsetzt. Niemals habe die Lehrerin den Islam beleidigen wollen.
Lehrerin wollte ein neues Leben beginnen
Frau Gibbons – Mutter von zwei erwachsenen Kindern – war erst seit fünf Monaten im Sudan
tätig. Zuvor war sie stellvertretende Rektorin einer Grundschule im nordenglischen Liverpool.
Nach der Scheidung von ihrem Mann Peter, der dort als Rektor fungierte, wollte sie ein neues
Leben beginnen. Im Juli reiste sie in den Sudan aus, um an der privaten Unity High School zu
unterrichten. Diese 1902 gegründete Einrichtung besuchen rund 750 Kinder muslimischer und
christlicher Eltern. Die Schule ist offen für Schüler jeglicher Religion und Volkszugehörigkeit.
Sie wurde als christliche Mädchenschule gegründet – seit 1985 werden auch Jungen unterrichtet
- und wird von Kirchen in Khartum getragen. Vorsitzender des Leitungsgremiums ist der
anglikanische Bischof Ezekiel Kondo.