19.07.2007

Irak: Radikale Moslems machen im Irak Jagd auf Christen

Von Stefan Beig und William Tadros

Irak: Radikale Moslems machen im Irak Jagd auf Christen

Von Stefan Beig und William Tadros

Wien/Bagdad, 29.06.2007 (Wiener Zeitung) "Setzen Sie sich dafür ein, dass das Christentum im
Irak eine Überlebenschance hat." Mit dieser Bitte wandte sich im Juni der "Zentralverband der
Assyrischen Vereinigungen in Deutschland und europäische Sektionen" (ZAVD) an die
Öffentlichkeit. Gezielte Terroraktionen gegen Christen nahmen in den letzten Jahren im Irak zu.
Anfang Juni ermordeten in Mossul muslimische Extremisten einen Priester und seine
Messdiener nach dem Gottesdienst. Einige Tage danach wurden in Bagdad ein
chaldäisch-katholischer Priester und fünf Jugendliche verschleppt. Etliche Christen haben
mittlerweile den Irak verlassen.
Am Beginn des Irakkriegs im März 2003 lebten noch 1,2 Millionen Christen im Irak, heute sind
es laut Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen nur mehr 450.000. Zunächst flohen die
Christen nach Europa, derzeit sind Jordanien und Syrien bevorzugte Fluchtziele.
"Insgesamt drei Priester und drei Diakone wurden bisher entführt und ermordet", berichtet der
nach Wien geflüchtete chaldäische Priester Raadwashan Sawha der "Wiener Zeitung". "Acht
weitere Priester wurden von Terroristen gefoltert und gegen Lösegeld freigelassen." Der
Geistliche ist ebenfalls ein Terroropfer. Vor zwei Jahren wurde er entführt und gefoltert. Bei
seiner Freilassung verlangten die Entführer 200.000 Dollar Lösegeld, die er selber auftreiben
sollte. Andernfalls drohten sie, ihn zu töten. Mit Hilfe der Kontakte des chaldäischen
Patriarchen zur französischen Botschaft gelang Sawha die Flucht. Seine Mutter und vier
Geschwister leben noch immer in Bagdad, wo sie seither bereits fünf Mal bedroht wurden.
Christen werden Bezirk für Bezirk ausgelöscht
"Die Terroristen wünschen sich einen islamischen Staat", erläutert Sawha die Motive der Täter.
In Bagdad wird ein Bezirk nach dem anderen systematisch von Christen gesäubert.
"Muslimische Extremisten senden Boten in christliche Häuser und verlangen von den
Bewohnern den Übertritt zum Islam. Wer sich weigert, muss entweder eine Schutzsteuer zahlen
oder die Gegend umgehend verlassen. Andernfalls wird man umgebracht."
Hunderte von Christen wurden bereits ermordet. Der ZAVD berichtet, dass auch "Kinder und
Jugendliche entführt und getötet" werden. "Frauen werden vergewaltigt und ganze Familien
ausgelöscht. Christliche Frauen müssen sich wie die muslimische Frauen kleiden. Allein in
Bagdad und Mossul sind über 35 Kirchen und Kathedralen zerstört worden." Gegenüber
Christen wurden auch Fatwas (religiöse Gutachten) ausgesprochen, die die Tötung und
Vertreibung von assyrischen Christen erlauben und legitimieren. Sawha berichtet von
Hasspredigten gegen Christen in den Moscheen.
Das religiöse Oberhaupt der irakischen Schiiten, Großajatollah Ali al-Sistani, verurteilte von
Anfang an die Übergriffe auf Christen, ebenso die irakische Regierung. Teile der muslimischen
Bevölkerung helfen unter Lebensgefahr den Christen. Die Situation ist außer Kontrolle geraten.
Raadwashan Sawha sieht in der Auflösung des Militärs am Ende des Hussein-Regimes eine
wesentliche Ursache für das Chaos. Generäle, die unter Saddam Hussein das Land noch
kontrolliert hatten, mussten nach dem Irakkrieg ihre Posten verlassen.
Teile der christlichen irakischen Bevölkerung fliehen nach Kurdistan, wo sie vor dem Terror
einigermaßen sicher sind. "In Kurdistan leben jetzt in jedem Dorf etwa 30-40 christliche
Familien", erzählt Sawha. "Kurdistan nimmt die Christen auf, verfolgt aber dabei geschäftliche
Interessen. Es erhofft sich bei einer möglichen Aufteilung des Irak Vorteile beim Ölgeschäft
durch eine größere Bevölkerung. Die Anwesenheit von Christen könnte auch ein Schutz vor
Angriffen anderer Länder wie der Türkei sein."
Quelle: Wiener Zeitung, Wien/Österreich