30.07.2007

Bangladesch: Selbstmord oder Mord? - Neun Christen von fahrendem Zug überrollt

Spekulationen über die Hintergründe – Familie wurde wegen Religionswechsel ausgegrenzt

Bangladesch: Selbstmord oder Mord? - Neun Christen von fahrendem Zug überrollt

Spekulationen über die Hintergründe – Familie wurde wegen Religionswechsel ausgegrenzt

 

(Open Doors, 18. Juli 2007) – Über die Hintergründe des Todes von neun Familienmitgliedern,
die in Bangladesch von einem Zug überfahren wurden, gibt es unterschiedliche Meinungen. Ob
es sich um einen gemeinschaftlichen Selbstmord handelt oder ob die aus dem Islam zum
Christentum übergetretenen Gläubigen ermordet wurden wird spekuliert. Am Nachmittag des
11. Juli sprangen nach Polizeiangaben Hena Begum (60), die Frau des verstorbenen Anwar
Hossain, ihre Töchter Mobi (40), Aktari Begum (35), Mushidi (30) und Shabnam (10), die
Söhne Arif (26) und Rahat (8) sowie Mobis Sohn Mollah (8) und Tochter Mariam (10) vor
einen nach Mymensingh (nördlich von Dhaka) fahrenden Zug. Die Christen aus Mymensingh
wurden wegen ihrer Konversion von ihrer Familie ausgegrenzt. Der Vorfall zog große Kreise
und viele Menschen eilten zum Ort des Geschehens – Polizisten, Regierungsbeamte und viele
Einheimische. „Ich sah vier Personen, die auf den Gleisen lagen und einige andere weiter vorn.
Ich konnte den Zug nicht anhalten, da ich einen ernsteren Unfall vermieden wollte“, erklärte der
Zugführer.
Spekulationen über die Hintergründe
Vor Ort glauben die Leute, dass es ein geplanter Selbstmord gewesen ist. Auf dem Grundstück
der Familie fand man ein ausgehobenes Grab sowie in ihrem etwa zehn Meter vom Bahndamm
entfernten Haus Särge und weiße Totenhemden. Einige Ortsansässige sagten, die älteren
Familienmitglieder hätten die jüngeren gefesselt und einen gemeinsamen Massenselbstmord
begangen. Die Toten wurden zur Autopsie ins Mymensingh Medical College Hospital gebracht.
Ob die christliche Familie eine ordentliche Beerdigung erhält, ist ungewiss, da sie von ihren
muslimischen Verwandten ausgegrenzt worden waren. Von den 144 Millionen Einwohnern
Bangladeschs sind 83 Prozent Muslime, 15 Prozent Hindus, 0,6 Prozent Buddhisten und 0,7
Prozent Christen. Offiziell herrscht Religionsfreiheit, sie wird aber durch den ständigen Druck
der Islamisten ausgehöhlt, zumal das Recht die ethnischen und religiösen Minderheiten nicht
schützt. Mitarbeiter von Open Doors beobachten einen zunehmenden Extremismus bei
einheimischen Muslimen. Christen sind in diesem Land nicht sicher, insbesondere Muslime, die
zum Christentum übergetreten sind.
Unterschiedliche Reaktionen
Ein Professor der Psychiatrie aus dem National Mental Health Institut führte den Selbstmord auf
einen falschen Glauben bzw. eine falsche Religion zurück. Einige Pastoren glauben, dass eine
Extremistengruppe hinter dem Vorfall steckt. Kirchliche Leiter aus verschiedenen
Denominationen traten am 11. Juli zusammen, um Details über den Familienhintergrund zu
erfahren und auch, zu welcher kirchlichen Gruppe die Familie angehörte. „Ein Grab für die
Beerdigung auszuheben ist für sie unmöglich. Das ist eine große Verschwörung irgendeiner
Untergrundgruppe, die die Familienmitglieder fesselte, ihre Augen mit Tüchern bedeckt und sie
unter den Zug gestoßen haben könnte“, sagte ein Gemeindeleiter. Eine führende Persönlichkeit
aus Mymensingh beschrieb Anwars Familie als Teil einer Gruppe, die behauptet, muslimisch zu
sein, aber Nachfolger Jesu Christi seien. Eine islamische Zeitung erwähnte, dass vier
Tagebücher des verstorbenen Anwar (Fakir) Hossain in seinem Haus gefunden wurden. Sie
würden sensible Informationen enthalten, die einen Bezug zum Selbstmord herstellen könnten.
Auf den Inhalt der Tagebücher wurde jedoch nicht eingegangen. Der Zeitung zufolge wurden
Anwar und seine ganze Familie vor einigen Jahren Christen und infolgedessen von der
muslimischen Gemeinschaft ausgestoßen. Als Anwar vor fünf oder sechs Jahren starb, brach
zwischen seiner engeren Familie und den muslimischen Verwandten ein Streit über seine
Beerdigung aus. Seit damals lebte die christliche Familie isoliert. Es gab auch Spekulationen,
die Jama'atul Mujahideen Bangladesh (JMB) seien für den Tod der Familie verantwortlich.
Nach Auskunft eines örtlichen Informanten gehört Mymensingh, der Wohnort vieler
JMB-Führer, zu ihren Hauptoperationsgebieten. Die Organisation übernahm die Verantwortung
für eine Reihe von Bombenanschlägen am 17. August 2005 in Bangladesch. Sechs ihrer
höchsten militanten Mitglieder wurden in den frühen Morgenstunden des 30. März 2007
hingerichtet. Durch bewaffneten Kampf suchen die JMB in Bangladesch die Herrschaft des
Islam aufzurichten.
Compass Direct/OpenDoors