20.06.2007
Indonesien: Konferenz auf Bali gegen Holocaust-Leugner
Von Sophie Mühlmann
Die Welt.de, 12. Juni 2007, 16:31 Uhr Man bemüht sich um ein weltoffenes Image im
bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Erde. Juden, Muslime und Christen diskutierten
über religiöse Toleranz. Die Teilnehmer waren sich einig, dass Irans Präsident Ahmadinedschad
falsch liegt.
Indonesien gibt sich Mühe, sein tolerantes, säkulares Image aufrecht zu erhalten. Das
bevölkerungsreichste muslimische Land der Erde ist unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen
einen Tag lang zum Schauplatz für eine bisher einmalige Religionskonferenz geworden: Bei
dem Treffen auf der Ferieninsel Bali drehte sich alles um religiöse Toleranz und die
Anerkennung der Judenverfolgung durch die Nazis als historische Tatsache. Damit will
Indonesien sich ganz bewusst von fundamentalistischen, radikalen Geistern absetzen.
Die Konferenz, an der Rabbis, hinduistische und christliche Geistliche, Holocaust-Überlebende,
Opfer islamistischen Terrors und muslimische Kleriker teilnahmen, sollte als
Gegenveranstaltung zu einer früheren Tagung im vergangenen Dezember in Teheran dienen.
Dort war die Genozid an den Juden im Zweiten Weltkrieg öffentlich angezweifelt worden, was
weltweit für Empörung gesorgt hatte. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte
den Holocaust damals höchstpersönlich als Mythos abgetan.
„Diese Konferenz beschäftigt sich mit allen Formen der Gewalt, die im Namen der Religion ausgeübt wird“, erklärte C. Holland Taylor, Vorsitzender der amerikanischen LibForAll
Stiftung, die die Tagung mitorganisiert und -finanziert hat. Der 79-jährige Sol Teichmann, ein
jüdischer Überlebender des Naziterrors, eröffnete den Tag mit einem Appell für mehr Toleranz:
„Ich hoffe, die Menschen werden aus der Vergangenheit lernen. Wir sollten versuchen, das
Leben zu verbessern, anstatt es zu zerstören“. Teichmann hat 70 Familienmitglieder im
Holocaust verloren und war unter anderem in Auschwitz und Dachau inhaftiert.
Anti-Teheran-Konferenz im muslimischen Indonesien
Die indonesische „Anti-Teheran-Konferenz“ war ohne jede öffentliche Publicity organisiert
worden. Medien durften im Vorfeld kein Wort über die Veranstaltung verlauten lassen.
Schirmherr war Indonesiens ehemaliger Präsident Abdurrahman Wahid, ein äußerst moderater
Kleriker, der sich schon häufig einen Namen als erklärter Gegner fundamentalistischer
Ideologien gemacht hat. „Obwohl ich ein guter Freund Ahmadinedschads bin“, so Wahid
gestern auf Bali, „muß ich doch sagen, dass er falsch liegt. Er hat die Geschichte verfälscht. Ich
glaube, der Holocaust hat tatsächlich stattgefunden“. Wahid ist seit über zwanzig Jahren
Mitglied des Shimon Peres Friedensinstituts in Tel Aviv und hat sich in seiner Heimat heftige
Kritik zugezogen, als er sich für direkten Handel zwischen Israel und Indonesien eingesetzt
hatte. Die beiden Länder pflegen keine diplomatischen Beziehungen miteinander.
Das südostasiatische Inselreich ist grundsätzlich bekannt für seine weltoffene Auslegung des
Islam. Doch gibt es hier eine Handvoll militanter Gruppen, die das Gesamtbild durch
Terroranschläge und lautstarke Parolen trüben. Die Insel Bali, eine hinduistische Enklave
inmitten von über 190 Millionen indonesischen Moslems, ist selbst zum traurigen Symbol
dieses indonesischen Islamismus geworden: Im Oktober 2002 zündeten Terroristen im
Touristenmekka Kuta gleichzeitig mehrere Bomben. 202 Menschen kamen ums Leben – der
bisher schlimmste Anschlag in der indonesischen Geschichte. Als Täter wurde die Jemmah
Islamiyah (JI) verantwortlich gemacht, eine lokale Gruppierung, die mit Osama Bin Ladens al
Qaida in Verbindung stehen soll. In Jimbaran selbst, dem Tagungsort der gestrigen Konferenz,
hatte die gleiche Gruppe drei Jahre später in idyllischen Strandrestaurants noch einmal mehrere
Sprengsätze gezündet. Diesmal waren 22 Menschen gestorben.
„Es ist nun an uns, die Religion zu ihrem ursprünglichen Zweck zurückzuführen“, so Jenny
Wahid, die Tochter des Ex-Präsidenten, die sich selbst für einen liberalen Islam engagiert und
das von ihrem Vater gegründete Institut gegen Radikalisierung in Jakarta leitet, „wir müssen die
Bedeutung gemeinsamer Werte hervorheben“.