02.11.2007
Frankreich: Im laizistischen Frankreich gibt es einen Seelsorger für das Parlament
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Christoph Lennert Trotz der strikten Trennung von Staat und Kirche hat Pfarrer Matthieu Rouge guten Zugang zu vielen Mitgliedern von Nationalversammlung und Senat
Frankreich: Im laizistischen Frankreich gibt es einen Seelsorger für das Parlament - Trotz der strikten Trennung von Staat und Kirche hat Pfarrer Matthieu Rouge guten Zugang zu vielen Mitgliedern von Nationalversammlung und Senat
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Christoph Lennert
Paris/Frankreich, 05.10.2007 (KAP) Sein Büro liegt im Schatten der Pariser
Nationalversammlung, seine Kirche ist umringt von Abgeordneten- oder Lobbyistenbüros und
Ministerien: Matthieu Rouge ist Pfarrer von Sainte-Clotilde im 7. Pariser Stadtbezirk - und in
der Erzdiözese Paris für die Seelsorge an den Parlamentariern zuständig. Seit rund 15 Jahren
gibt es den auf Initiative des verstorbenen Kardinals Jean-Marie Lustiger eröffneten "Pastoralen
Dienst für politische Studien", den derzeit Rouge leitet. Seinen Dienst versteht der 41-Jährige
vor allem so, den Abgeordneten als Seelsorger zur Verfügung zu stehen.
Einen Zugangsausweis zur Nationalversammlung oder zum Senat hat Rouge nicht. Er ist keiner,
der als Lobbyist bei den Abgeordneten ein- und ausgeht, um christliche Positionen in
Erinnerung zu rufen, wenn es um neue Gesetze geht. "Es kommt vor, dass mich einmal ein
Abgeordneter einlädt", so der Geistliche. Automatisch eingeladen, wenn Anhörungen zu
Themen stattfinden, die auch die Kirche interessieren, wird er freilich nicht.
Kontakte zwischen Staat und Kirche gibt es in Paris eher im Einzelfall. Ein strukturierter
Dialog, wie er in anderen europäischen Ländern besteht und wie er etwa auch von der EU
angestrebt wird, ist in Frankreich unbekannt. Die Bilder der ernst blickenden Herren mit
üppigen Bärten aus der Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20.
Jahrhundert an den Wänden der Couloirs der Nationalversammlung und des Senats würden
herunterfallen, wenn es einen Schritt in diese Richtung gäbe. Die ernst blickenden Herren waren
überzeugt, dass es zwischen dem "Licht der Aufklärung" und der Kirche keine "entente
cordiale" geben dürfe; erst in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs zerbrach diese
Grundüberzeugung der "Belle Epoque". Bei der strikten gesetzlichen Trennung von Kirche und
Staat in Frankreich ist es nur konsequent, dass Rouge nicht von der Französischen
Bischofskonferenz angestellt ist, sondern sein Dienst von der Erzdiözese Paris ins Leben
gerufen wurde.
Rouge versteht sich als Seelsorger mit einer bestimmten Zielgruppe.
Er will den Menschen begegnen, die Frankreichs Politik bestimmen; darunter sind heute -
anders als vor 100 und mehr Jahren - auch viele praktizierende Katholiken. "Einige leben ihren
Glauben in ihren Heimatorten", berichtet Rouge. Andere aber fühlten sich wohler, in Paris ihr
christliches Leben entfalten zu können - "denn daheim finden die Kontakte zwischen einem
Parlamentarier und der Kirche doch manchmal eher auf offizieller Ebene statt". Neben
wöchentlichen Gottesdiensten organisiert Rouge auch "Exerzitien" und Pilgerfahrten, etwa nach
Rom oder in diesem Jahr nach Santiago de Compostela.
Und doch hat der Geistliche auch ein politisches Anliegen: er möchte das christliche
Menschenbild vermitteln. Beeinflussen will er die Parlamentarier nicht, aber zum Nachdenken
anregen. So organisiert er regelmäßig Mittagessen zu ethisch relevanten Themen. Daran nehmen
Fachleute teil, die mit den Abgeordneten Probleme diskutieren. Fragen der Migrationspolitik
stehen da ebenso auf der Tagesordnung wie etwa Entwicklungszusammenarbeit oder die
bevorstehende Reform der französischen Bioethik-Gesetze.
Vor allem die Regierungspartei UMP von Staatspräsident Nicolas Sarkozy ist unter den
Abgeordneten vertreten, die Rouge zu seinen Veranstaltungen begrüßen kann. Er sucht aber
auch Kontakte zu den anderen Parteien. "Das Interesse an christlichen Positionen ist über die
Fraktionsgrenzen hinweg groß", berichtet Rouge - "auch wenn Religion bei den Linken oft eher
im Privatleben verankert ist".
Dass unter dem neuen Präsidenten der Republik tief greifende Reformen der seit 1905
verankerten Trennung von Kirche und Staat beschlossen werden, erwartet Rouge nicht. Kleinere
Nachbesserungen hält er aber für möglich. Sarkozy räume den Religionsgemeinschaften im
öffentlichen Leben eindeutig mehr Platz ein als sein Vorgänger Jacques Chirac. Das könnte
dann künftig noch mehr Arbeit bedeuten für Rouge und sein Team im Pariser Regierungsviertel.
Quelle: Katholische Nachrichtenagentur Kathpress (KAP), Wien/Österreich.