21.11.2007
Türkei: EU-Kommission sieht fehlende Rechte für Nichtmuslime
Brüssel/Belgien, 06.11.2007 (KAP) Die EU-Kommission hat der Türkei wie erwartet Mängel
bei den Menschenrechten vorgeworfen. Die Kommission sieht im besonderen fehlende Rechte
für nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften. Sie erwähnt u.a. die 1971 von den Behörden
geschlossene orthodoxe Hochschule auf Chalki, um deren Wiedereröffnung das Ökumenische
Patriarchat seit Jahren ringt. Mit ihrer Vorgangsweise verhindere die Türkei die Ausbildung
von Geistlichen für eine religiöse Minderheit im Land.
Im vergangenen Jahr habe das Land notwendige Reformen langsamer durchgeführt als zuvor,
sagte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn am 6. November in Brüssel zur Veröffentlichung
des jährlichen Fortschrittsberichts. Als Grund nannte er die politischen Wirren in der Türkei,
vor allem die Verfassungskrise. Allerdings sei nun der Zeitpunkt gekommen, den Reformen
neues Leben einzuhauchen.
In dem Bericht kritisiert die Kommission unter anderem Korruption und Missachtung der
Meinungsfreiheit. Bemängelt werden ferner fehlende oder nicht ausreichende Rechte für
Gewerkschaften, Frauen und Kinder. Auch Roma würden diskriminiert.
Weniger Berichte als in den Vorjahren verzeichnet die EU-Kommission über Folter und
Misshandlungen. Allerdings gebe die Lage noch immer Anlass zur Besorgnis. So gingen die
türkischen Behörden etwa entsprechenden Hinweisen nicht gründlich genug nach. Bei der
Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit seien kaum Einschränkungen zu verzeichnen; sie
entspreche allgemein europäischen Standards.
Bei der Religionsfreiheit gab es laut Bericht keine echten Fortschritte, um die Schwierigkeiten
nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften zu bewältigen. Diese hätten weiter Probleme,
Rechtssubjekte zu werden. Auch ihre Eigentumsrechte seien eingeschränkt. Zudem habe es
Übergriffe auf nichtmuslimische Geistliche und Gotteshäuser gegeben. Als Beispiel nennt die
Brüsseler Behörde den Mord an drei Christen in Malatya im April. Die EU bemängelt zudem,
dass die türkische Justiz die gesamtorthodoxen Aufgaben des Ökumenischen Patriarchen von
Konstantinopel nach wie vor nicht anerkennt. Auch sieht die Kommission kaum Fortschritte
im Verhältnis der türkischen Behörden zur religiösen Minderheit der Aleviten. Sie werde
weiter diskriminiert.
Besondere Sorge äußert die Kommission über die Meinungsfreiheit in der Türkei. Das
türkische Rechtssystem genüge in diesem Bereich europäischen Standards nicht. Das gelte
besonders für den Strafrechtsparagrafen 301, der die Verunglimpfung des Türkentums unter
Strafe stellt. Mehr Menschen als im Vorjahr seien unter Berufung darauf juristisch verfolgt
worden. Als Beispiel nennt der Bericht den im Jänner ermordeten Journalisten Hrant Dink.
Der Paragraf müsse "mit europäischen Standards in Einklang gebracht" werden.
EU-Kommissar Rehn sagte, es sei nicht hinzunehmen, dass Menschen verfolgt würden, weil
sie kritisch, aber friedlich ihre Meinung verträten. Er verlangte eine Aufhebung oder
umgehende Änderung des Paragrafen 301. Die Überarbeitung der Bestimmung müsse ein
"Benchmark" für die Eröffnung bestimmter Beitrittskapitel sein. Zugleich sagte Rehn, die
Kommission erwarte im kommenden Jahr Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen. So
könnte man zumindest die Kapitel über Verbraucher- und Gesundheitsschutz sowie über
transeuropäische Netze öffnen.
Quelle: Katholische Nachrichtenagentur Kathpress (KAP), Wien/Österreich