11.12.2008
Leitartikel: Christenverfolgung - Es gibt das Menschenrecht auf Religionsfreiheit
Von Till- R. Stoldt 11. Dezember 2008, 17:33 Uhr (Welt Online) - Christen werden fast überall, wo sie Minderheit sind, verfolgt. Doch sie setzen sich zur Wehr: In Gaza, im Iran oder China nehmen Evangelikale Hilfswerke kein Missionsverbot hin, sondern schmuggeln Bibeln Land, um ihre Religion ausüben zu können. Trotzdem suchen verfolgte Christen häufig Zuflucht in westlichen Ländern.
Am letzten Abend seines Lebens rief Rami Ayyad seine Frau an und sagte ihr, er werde wohl nie mehr nach Hause kommen, Extremisten hielten ihn gefangen. Noch in der Nacht fand man seine Leiche, von Messerstichen und Pistolenschüssen entstellt. Er hinterließ neben seiner Frau drei kleine Kinder.
Sein Verbrechen: Er hatte gewagt, in der palästinensischen Gaza-Stadt einen christlichen Buchladen zu eröffnen. Mehrfach hatten ihn Islamisten gewarnt, er werde sterben, wenn der Laden nicht schließe. Aber der Händler verkaufte weiter seine Bücher. Bis zum Tod.
Unterstützt wurde er dabei von dem christlichen Hilfswerk Open Doors (OD). Mit Geld, Gebet und Literatur auf Arabisch. Und so ist es häufig, wenn verfolgte Christen vor Ort der Repression widerstehen wollen: Ermutigt und gefördert werden sie durch fromme Hilfswerke von denen OD nur das bekannteste ist.
Damit setzen die meist evangelikalen Hilfswerke den Kontrapunkt in der aktuellen Diskussion um die Aufnahme verfolgter Christen in westliche Länder. Während Kirchen und Politiker derzeit nur über Asylgewährung großen Stils sprechen, wenn es um Hilfe für verfolgte Christen geht, hält Open Doors dagegen: Würden Christen der Verfolgung stets weichen, wäre das Christentum bald ein US-Glaube mit europäischem Ableger.
Zwar sei Asyl für irakische Christen humanitär geboten, wie Deutschland-Chef Markus Rode einräumt. Vor allem aber dürfe darüber ein anderes Ziel nicht vergessen werden: die Hilfe für Verfolgte, die vor Ort bleiben wollen – im Falle der irakischen Christen zum Beispiel durch heimatnahe Neuansiedlung im relativ sicheren Norden des Landes. Dort hat OD durch Geld-, Tier- und Pflanzenspenden bereits vielen hundert Flüchtlingen zu einer neuen Existenz verholfen.
Hilfswerke wie Open Doors verstehen die Unterdrückung Gläubiger nicht primär als Startsignal zur Fluchthilfe, sondern als Aufforderung, die Attackierten in ihrer Heimat zu stärken – mit geschmuggelten Bibeln, geheimer Pastorenausbildung, Druckerpressen, Medizin und Geld. Aber auch mit Kursen für die Opfer antichristlicher Gewalt. Dort sollen die Gefolterten, Vergewaltigten oder Traumatisierten die Kraft finden, ihren Peinigern zu vergeben – und in ihrer Heimat, sozusagen am Tatort, auszuharren.
Gotteshäuser unterschieden sich
Wegen dieses Engagements werden OD-Mitarbeiter in Teilen Asiens und Afrikas oft als westliche Agenten beschimpft. Aber so absurd der Vorwurf klingt – ganz falsch ist er nicht. Diese Christen sind in der Tat Agenten eines westlichen Freiheitsverständnisses und vor allem des Menschenrechts auf Religionsfreiheit.
Das zeigt sich etwa, wenn OD christliche Buchhändler im Hamas-regierten Gazastreifen fördert. Oder iranische Pastoren, die im Mullah-Staat das Evangelium predigen. Man kann dergleichen als Beihilfe zum Himmelfahrtskommando bezeichnen. Man kann darin aber auch den unermüdlichen Versuch sehen, das Recht auf Religionsfreiheit in Theokratien und anderen zwangshomogenen Gesellschaften bekannt zu machen. Denn OD klagt auch dort religiöse Selbstbestimmung ein, wo es naturgemäß kaum jemand anders wagt, etwa in Ländern, die nichtislamische Mission und den öffentlichen Abfall vom Islam mit dem Tod bestrafen.
Aber noch in anderer Hinsicht wirken diese Aktivisten als Agenten westlicher Freiheit: Sie testen aus, was die in den meisten Ländern theoretisch geltende Religionsfreiheit praktisch wert ist. Wie solch ein Praxistest aussieht, veranschaulicht der Fall von Linda Joy aus dem vermeintlich liberalen Malaysia. Die gebürtige Muslimin konvertierte mit 26 Jahren zum Christentum. Seitdem versucht sie, aus ihrem Personalausweis den Eintrag "Islam" streichen zu lassen. Vergeblich.
Kein Gericht des Landes gestattet ihr, offiziell aus dem Islam auszutreten, womit die Christin auch dem islamischen Erb- und Familienrecht unterworfen bleibt. Schließlich verbot sogar Ministerpräsident Abdullah Badawi jede öffentliche Diskussion des Falles. Stattdessen musste die Wahlchristin untertauchen, weil zornige Islamisten nach ihrem Leben trachteten. Nur dank OD-Mitarbeitern überlebte sie diese Enttarnung der malaysischen "Religionsfreiheit". Bislang.
Christliche Hilfswerke haben umstürzlerische Tendenzen
Dem Kampf christlicher Hilfswerke für Menschenrechte wohnt aber auch eine umstürzlerische Tendenz inne.
Etwa in Nordkorea, wo das Hilfswerk neben Lebensmitteln und Medizin auch viele Tausend Radios einschmuggelte, damit dortige Untergrund-Christen wenigstens per Radio an (südkoreanischen) Gottesdiensten teilnehmen und sich nebenbei der allgegenwärtigen Medienmanipulation des Regimes entziehen können.
Ähnlich in der Volksrepublik China. Wird dort ein Untergrundpastor geschnappt, drohen ihm schnell 20 Jahre Haft samt Folter und Umerziehungslager, weil das Regime staatsunabhängige Christengemeinden wohl zu Recht als potenzielle Oppositionsherde fürchtet. Doch das Wachstum der Untergrundchristen können selbst drakonische Strafen nicht stoppen. Ihre Zahl hat sich binnen Jahrzehnten auf 50 bis 80 Million Chinesen mindestens verdoppelt. Dazu trug OD erheblich bei durch viele Million eingeschmuggelter Bibeln, durch Schulung Zehntausender Gemeindeleiter, durch Geld, Medizin und Technik.
Ob in Nordkorea, Iran oder Teilen Nigerias – überall wurden schon Bibelschmuggler hingerichtet oder erschlagen. Solch frommer Opfermut könnte manche westlich-liberalen Zeitgenossen befremden, ahnt man bei Open Doors. Nur, so könnten die christlichen Aktivisten einwenden: Wer sonst außer Überzeugungstätern soll eifernden Theokraten und Diktatoren permanenten Widerstand leisten?
http://www.welt.de/politik/article2865063/Es-gibt-das-Menschenrecht-auf-Religionsfreiheit.html