24.02.2011
Afghanistan: Said Musa ist frei!
(ISTANBUL, 25. Februar 2011) Der seit neun Monaten inhaftierte afghanische
Christ Said Musa ist nach intensiven diplomatischen Bemühungen freigelassen
worden. Er war wegen Apostasie des Abfalls vom Islam angeklagt, nach
islamischem Recht drohte ihm die Todesstrafe. Wie eine einheimische Quelle
dem Nachrichtendienst Compass Direct sagte, wurde der 46 Jahre alte Musa in
der letzten Woche entlassen und hat das Land am 21. Februar mit unbekanntem
Ziel verlassen.
Er hat eine Reihe von Briefen aus dem Gefängnis geschrieben. In seinem
letzten Brief vom 13. Februar teilt Musa, beinamputiert und Vater von sechs
Kindern, mit, dass ihn Vertreter verschiedener Botschaften in Kabul besucht
und ihm Asyl angeboten hätten. Wie aus seinem Brief weiter hervorgeht, wurde
Said Musa von afghanischen Beamten in einen anderen Raum geführt, als die
Botschaftsmitarbeiter das Gefängnis verlassen hatten. Drei Beamte
versuchten, ihn zum Leugnen seines christlichen Glaubens zu überreden. Sie
versprachen ihm die Freilassung binnen 24 Stunden. Er weigerte sich und
wurde in seine Zelle zurückgeschickt.
Ich bin ein Diener Jesu Christi
Wie Musa in seinem Brief schreibt, teilte er den Beamten mit, dass er dem
Islam nicht mehr folgen könne. Ich bin ein Diener Jesu Christi. Sie
nötigten mich sehr, aber ich lehnte alle ihre Forderungen ab. Einzelheiten
der Freilassung sowie sein derzeitiger Aufenthaltsort bleiben vertraulich,
um ihn und seine Familie, die nach Quellen im Land weiterhin gefährdet ist,
zu schützen.
Wegen Abfalls vom Islam angeklagt
Der ehemalige Muslim kam vor acht Jahren zum christlichen Glauben. 15 Jahre
lang war er für das Internationale Rote Kreuz in Kabul tätig. Der selbst
beinamputierte Mann passte für die Organisation Prothesen an. Er und seine
Frau haben sechs Kinder. Am 31. Mai 2010 wurde Musa verhaftet, nachdem der
Fernsehsender Noorin TV Fernsehbilder einer Taufe von Muslimen, die zum
Christentum konvertiert waren, gesendet hatte. Ihre Gesichter wurden in dem
Beitrag offen gezeigt. Die Reportage hatte drastische Reaktionen bis in
höchste Regierungskreise des streng islamischen Landes ausgelöst.
Said Musa wurde im Gefängnis zunächst geschlagen, missbraucht, verspottet
und mit Schlafentzug gequält, bevor internationaler Druck zumindest
erreichte, dass er im November 2010 in ein Gefängnis verlegt wurde, in dem
er besser geschützt war. Ihm wurde im Prozess aber keine anwaltliche
Vertretung erlaubt, auch die Prozessbeobachtung durch internationale
Vertreter war nicht möglich.
Wenn sich viele einsetzen
Ein Said Musa nahestehender Freund lobte gegenüber Compass Direct die
internationalen Bemühungen: Diese Freilassung zeigt, dass etwas geschieht,
wenn viele, viele Menschen sich für Gerechtigkeit einsetzen. Und manchmal,
wie für unseren Freund Said Musa, kommt dabei etwas Gutes heraus, auch wenn
das erst ganz unmöglich aussah. Der Freund, der darum bat, anonym zu
bleiben, meinte weiter: Die Stimmen der Menschen außerhalb Afghanistans,
welche die afghanische Regierung und internationale Diplomaten unter Druck
setzten, wurden gehört. Wenn sich Ortsgemeinden und internationale Gruppen
für die Verfolgten im Glauben einsetzen, haben sie die Macht, Dinge zu
ändern.
Sorge um anderen Christen
Wegen Apostasie immer noch im Gefängnis ist Shoib Assadullah, ein Christ,
der seit Oktober 2010 im Distriktgefängnis von Mazar-i-Sharif sitzt. Auch
ihm droht die Todesstrafe, auch er wurde unter Druck gesetzt, den
christlichen Glauben wieder aufzugeben. Im Verfahren, welches nach
afghanischem Recht rasch beginnen muss, weil sonst Fristen ablaufen, wird er
nicht durch einen Anwalt vertreten. In einem Brief vom 17. Februar 2011
schreibt er unter anderem: Ich wurde nicht nur der Freiheit beraubt,
sondern auch unter starken psychologischen Druck gesetzt. Etliche Male wurde
ich auch körperlich angegriffen und von Mitgefangenen mit dem Tode bedroht,
vor allem durch Taliban und Häftlinge, die gegen die Regierung sind. Aber
die Freiheit ist ein Geschenk Gottes.
Lage für Christen verschlechtert sich
Afghanistan gehört zu den zehn Ländern, in denen Christen am stärksten
verfolgt werden. Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors belegt das
streng islamische Land Platz 3. Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und
damit die persönliche Wahl der Religion oder ein Religionswechsel wird
muslimischen Afghanen verwehrt. Der Islam ist Staatsreligion. Obwohl in der
Verfassung Religionsfreiheit garantiert wird, ist verboten, was im
Widerspruch zu den Überzeugungen und Vorschriften der heiligen Religion des
Islam steht". Die islamische Rechtsordnung Scharia sieht für den Abfall vom
Islam" (Apostasie) die Todesstrafe vor. Unter den 27 Millionen Einwohnern
leben etwa 10.000 Christen, darunter auch Afghanen muslimischer Herkunft.
Sowohl Said Musa als auch Shoib Assadullah sind Beispiele dafür, dass sich
die Situation der Religionsfreiheit im Land immer weiter verschlechtert. Mit
den Worten des Freundes von Said Musa: Es ist sehr traurig und entmutigend,
dass sich die Lage nach beinahe 10 Jahren Hilfe durch die internationale
Gemeinschaft nicht gebessert hat.