14.01.2011

Irak: Christenverfolgung im Irak: Dahinter steckt ein Plan

Christen werden systematisch angegriffen und aus dem Irak vertrieben

Irak: Christenverfolgung im Irak: Dahinter steckt ein Plan

Christen werden systematisch angegriffen und aus dem Irak vertrieben

 

 

ROM, 14. Januar 2011 (ZENIT.org).- Der irakische Erzdiakon Emanuel Youkhana hat von der westlichen Welt und seiner Regierung mehr Ehrlichkeit im Umgang mit der Christenverfolgung im Irak gefordert. Youkhana rief er dazu auf, "die Wahrheit beim Namen zu nennen, dass Christen systematisch angegriffen und aus dem Irak vertrieben werden sollen".

Youkhana, der im Irak humanitäre Hilfe für christliche Familien koordiniert, kritisierte, dass die irakische Regierung diese Tatsache verleugne und in der internationalen Öffentlichkeit oft behauptet werde, der Terror richte sich "nicht gegen Christen, sondern gegen jedermann". Die Zielscheibe der Angriffe seien jedoch eindeutig Christen. Er rief dazu auf, die irakischen Christen "nicht zu betrügen". Gegen den "zielgerichteten Plan, Christen aus dem Irak zu vertreiben" gebe es keinen Gegenplan.

Weder die irakische Regierung noch die internationale Gemeinschaft tue genug dagegen. Erzdiakon Youkhana unterstrich, es reiche nicht, das Geschehene zu verurteilen. So sei beispielsweise auf die Kirche "Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe" in Bagdad bereits im Jahr 2004 ein Anschlag verübt worden.

Dieser Anschlag sei verurteilt worden, doch dennoch seien in dieser Kirche Ende Oktober erneut mehr als 50 Menschen bei einem Attentat ums Leben gekommen. "Die Verurteilungen haben nichts genützt", beklagte Youkhana. Er erklärte, die irakischen Christen hätten weniger wegen der aktuellen Anschläge Angst, sondern sie fürchteten sich vor der Zukunft. Das betreffe vor allem die immer weiter fortschreitende Islamisierung der Gesellschaft. Schon heute würden viele christliche Frauen nur noch verschleiert ihre Häuser verlassen, da der gesellschaftliche Druck auf sie zu hoch sei.

Erst kürzlich sei die Fakultät für Musik der Universität zu Bagdad geschlossen worden, da Musik nicht mit der Sharia vereinbar sei. Es gebe zudem seitens hoher muslimischer Geistlicher die Forderung zur Geschlechtertrennung an den Universitäten. Youkhana berichtete weiter von einem christlichen Ingenieur, den die Polizei kürzlich davor gewarnt hatte, das Haus zu verlassen. Ihm sei gesagt worden, er solle seine Nachbarn für sich einkaufen lassen und nicht die Türe öffnen, wenn jemand klopfe. "Aber wie soll eine Familie unter diesen Umständen leben?"; fragte Youkhana.

Er bezeichnete es jedoch als "naiv", dass die westlichen Länder irakische Flüchtlinge aufnehmen wollen. Dadurch würden sie indirekt dazu beitragen, die christliche Präsenz im Irak zu beenden. Den Menschen müsse vielmehr dabei geholfen werden, in ihrer Heimat leben zu können. Das Leben der Christen werde immer weiter eingeschränkt. Sie hätten kaum noch Zuversicht, viele denken nur noch an die Flucht. Von den ursprünglich mehr als 1 Mio. Christen lebten Youkhanas Angaben zufolge nur noch 300.000 im Irak. Jede Woche gingen vier Flüge von Bagdad in die libanesische Hauptstadt Beirut. Die meisten Passagiere seien Christen. Er wundere sich oft darüber, dass viele Familien die Entscheidung zur Flucht spontan träfen, wenn sie abends zusammensitzen. An einem einzigen Abend entschieden sie sich dafür "ihre Häuser, ihre Arbeitsplätze und alles, was ihre Vorväter ihnen über die Jahrhunderte lang gegeben haben, zurückzulassen", sagte Youkhana. Manche Menschen würden sogar aus den sicheren Gebieten fliehen, weil sie für sich und ihre Familien keine Zukunft mehr sehen.

Die wichtigste Aufgabe der christlichen Kirchen besteht seiner Ansicht nach darin, den Menschen wieder mehr Selbstvertrauen und Hoffnung zu schenken. "Bereits bevor das Land zusammenbrach, sind die Menschen innerlich zusammengebrochen. Alle sind traumatisiert", erklärte er. Traumatherapie sei vor allem für Kinder und Jugendliche wichtig. Der soziale Schaden, der im Land durch die Kriege und gewaltsamen inneren Konflikte entstanden sei, müsse behoben und das Bewusstsein für die Menschenwürde wiederhergestellt werden. Dabei spiele die Kirche eine Schlüsselrolle, da sie den Menschen eine Botschaft der Hoffnung vermittele und ihnen sage: "Habt keine Angst!" Wichtig sei aber auch materielle Unterstützung. Auch Jesus habe nicht nur gepredigt, sondern ganz konkret und materiell geholfen.

Es müsse vor allem den Familien geholfen werden, die aus der 5-Millionen-Stadt Bagdad in kleine Städte im Norden fliehen. Oft haben diese Menschen einen Hochschulabschluss, finden aber keine Arbeit und müssen ihr gesamtes Leben neu aufbauen. "Am ersten Tag nach der Flucht zählt nur ein sicherer Schlafplatz, aber danach werden Jobs gebraucht, Infrastruktur, Schulen", erklärte Youkhana. Hier tue die irakische Regierung bisher zu wenig.

Die Christen seien "hilflos, aber nicht hoffnungslos". Die Weltkirche und Hilfswerke wie "Kirche in Not" gäben eine "starke moralische und materielle Solidarität", aber die Kirche habe nicht die Kapazitäten, um die gesamte Infrastruktur bereit zu stellen oder politische Veränderungen zu bewirken. Hier seien die Regierenden gefragt, stellt Youkhana abschließend fest.