06.06.2012
Deutschland: Kirche verlässt Härtefallkommission
Zu wenig Humanität: Evangelische ziehen sich vorläufig zurück
Deutschland: Kirche verlässt Härtefallkommission
Zu wenig Humanität: Evangelische ziehen sich vorläufig zurück
Hannover (idea) – Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen ziehen sich vorübergehend aus der Härtefallkommission des Landes zurück. Das Gremium kann von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen zu einem Aufenthaltsrecht verhelfen, wenn dringende humanitäre Gründe vorliegen. Doch diese werden nach Ansicht der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen nicht ausreichend berücksichtigt. Die Kirchen wollen eine Neuordnung der Härtefallregelung abwarten, die das Innenministerium für Juli angekündigt hat. Danach sollen abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber leichter als Härtefall anerkannt werden. Außerdem soll für eine Entscheidung in der neunköpfigen Kommission künftig eine einfache Mehrheit ausreichen statt der bisher nötigen Zweidrittelmehrheit.
Streitfall: Auseinandergerissene Roma-Familie
Der Konföderation gehören die fünf evangelischen Kirchen in dem Bundesland an. Einer ihrer beiden Vertreter in der Härtefallkommission, der Vizepräsident der Evangelisch-reformierten Kirche, Johann Weusmann (Leer), trat Anfang Juni aus Protest gegen eine Entscheidung über die Roma-Familie Coban zurück. Sie ist auseinandergerissen: Der Vater war mit zwei Kindern vor sechs Jahren in die Türkei abgeschoben worden; die Frau lebt mit weiteren fünf Kindern in Bad Bentheim. Damit der Vater die Familie besuchen darf, muss die Mutter ein eigenes Aufenthaltsrecht besitzen. Für die Anerkennung sprachen sich vier Kommissionsmitglieder aus, dagegen drei – zu wenige für eine Zweidrittelmehrheit.
Christliche Familie aus Vietnam zurückgekehrt
Streit hatte es bereits im vorigen Jahr um eine vietnamesische Familie gegeben. Nach mehr als zwei Monaten kehrten die abgeschobenen Eltern Minh Tuong und Thi San Nguyen Ende Januar mit ihren beiden jüngsten Kindern Esther (9) und André (6) von Hanoi nach Hoya bei Bremen zurück, wo sie die vergangenen 19 Jahre gelebt haben. Sie waren im November in ihr Herkunftsland „rückgeführt“ worden. Ihre älteste Tochter Ngoe Lan (20) besaß eine Aufenthalterlaubnis und durfte in Deutschland bleiben. Die Familie war Anfang der neunziger Jahre unter falschem Namen eingereist. Nachdem die Eltern Christen geworden waren, zeigten sie den Behörden die Umstände ihrer Einreise an; wegen der falschen Angaben drohte ihnen die Abschiebung. Von August 2006 bis Februar 2007 gewährte ihnen die Martin-Luther-Kirche in Hoya Kirchenasyl. Der Fall beschäftigte die Härtefallkommission. Schließlich musste die Familie nach Hanoi reisen, wo sie mit religiöser Diskriminierung rechnen musste. Nach heftigen Protesten setzte sich Innenminister Uwe Schünemann (CDU) für die Rückkehr ein. Wesentlichen Anteil an dem Ausgang hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Knoerig (Diepholz). Er plädiert für eine gesetzliche Regelung, dass Ausländer, die voll integriert in Deutschland leben, nicht abgeschoben werden dürfen.