22.10.2022

UKRAINE/RUSSLAND: Maskierte Soldaten verhaften den Pastor einer Baptistengemeinde in Mariupol und seine Frau

AKREF-A/F18/22.10.22 – Wie soeben berichtet, wurden am Abend des 21. September Pastor Leonid Ponomaryov, den Leiter einer Gemeinde des Rats der Baptistengemeinden in Mariupol und seine Frau Tatyana von bewaffneten und maskierten Soldaten verhaftetet. Hier zum Hintergrund:

Weder Familienmitglieder noch Mitglieder der Gemeinde konnten bisher herausfinden, wo sie hingebracht wurden und wo bzw. weshalb sie festgehalten werden.

Nachbarn haben Stöhnen und Schreie gehört, als die Ponomaryovs an einen unbekannten Ort gebracht wurden, berichteten Baptisten aus Mariupol. Wie man jetzt weiß, wurden sie zunächst zu einer Polizeistation gebracht, wo sie festgehalten werden sollten, bis das von Russland organisierte Scheinreferendum über den Status der Region Donezk gelaufen war. Doch sie wurden nach dem am 27. September beendeten Referendum nicht freigelassen.

Russland annektierte die völkerrechtlich nicht anerkannte Volksrepublik Donezk, der Mariupol nach heftigen Kämpfen und der darauf folgenden Eroberung im Mai einverleibt worden war, am 5. Oktober 2022.

Zunächst behaupteten russische Beamte, das Ehepaar sei in „extremistische Aktivitäten“ verwickelt gewesen und durchsuchten die Räume, in denen sich die Baptistengemeinde versammelt. Diese wurden dann von den Behörden geschlossen und der Zugang versiegelt, um die Abhaltung weiterer Gottesdienste zu verhindern. Einige protestantische Gemeinden, darunter mindestens eine vom Rat der Baptistengemeinden, die prinzipiell keine staatliche Registrierung anstreben, können sich in Mariupol weiterhin zum Gottesdienst versammeln, während andere geschlossen wurden.

In einer Aussendung an ihre Mitglieder und Versammlungen auch im Ausland, ersuchte der Internationale Rat der Baptistengemeinden, dass NUR Gemeinden aus der Russischen Föderation Petitionen für das Ehepaar Ponomaryov senden.

Seit der Eroberung durch die russischen Streitkräfte haben russische Beamte und Soldaten bzw. Beamte der Volksrepublik Donezk mehrere Gottesdienststätten durchsucht und geschlossen. Außerdem wurden einige Leiter unter Druck gesetzt, die Verbindung zu ukrainischen religiösen Körperschaften abzubrechen und sich denen in Russland oder der von Russland besetzten Krim anzuschließen.

Der auf die russische Invasion im Februar folgende Krieg hat auch zur Zerstörung oder Beschädigung vieler Kirchen und sonstiger Gottesdienststätten geführt.

Am 30. September reisten zwei Pastoren aus Rostow am Don nach Mariupol, um herauszufinden, wo Leonid und Tatyana Ponomaryov festgehalten werden und weshalb sie festgenommen wurden. Gemeinsam mit Leonids Bruder Viktor Ponomaryov besuchten sie die Behörde für Staatssicherheit, das Hauptquartier der Streitkräfte und die Polizei. Aber bei all diesen Stellen erhielten sie die fast identische Antwort: „Sie sind nicht hier und wir wissen nicht, wo sie sind.“

Daraufhin reisten die drei nach Donezk, um Antworten vom Innenministerium und der Geheimpolizei des Ministeriums für Staatssicherheit der Volksrepublik zu suchen. Dort erhielten sich genau dieselbe Antwort wie von den regionalen Behörden in Mariupol. Aufgrund eines schriftlichen Antrags an das Innenministerium der VR Donezk wurde ihnen eine Antwort innerhalb von 30 Tagen zugesagt.

Als die beiden auf der Rückreise von Donezk nach Mariupol waren, erreichte sie ein Anruf der Polizei, dass sie sich an die Wohnadresse von Leonid und Tatyana Ponomaryov begeben sollten. Dort erwarteten sie mehrere Ermittlungsbeamte. Sie befragen Viktor und die Nachbarn, schrieben die Ergebnisse der Befragung kurz nieder und verließen danach das Haus. Die Beamten weigerten sich, zu sagen, ob die Familie Auskunft über den Verbleib des Ehepaars erhalten würde. Mitglieder der Baptistengemeinde berichteten, dass bei allen Kontakten mit Beamten der verschiedenen Behörden kein einziger bereit war, seinen Namen oder Dienstgrad anzugeben.

 

Am 1. Oktober gaben die Kinder des Ehepaares Ponomaryov eine Erklärung ab, in der sie den Mitgliedern der Baptistengemeinde für die Gebete für ihre Eltern dankten. Darin hieß es: „Schon seit 10 Tagen wissen wir nichts von ihnen. Eine Gruppe von Gemeindegliedern aus Mariupol und Rostow besuchte all die offiziellen Stellen und Institutionen, nicht nur in Mariupol, sondern auch im Zentrum der Region (Donezk) und niemand war bereit, uns etwas über unsere Eltern zu sagen.“ In mehreren Gemeinden wurde am 2. und 3. Oktober für Leonid und Tatyana gebetet und gefastet.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 7. Oktober 2022).

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA