09.12.2024

Belarus: Geheimnisumwittertes Verfahren zur verpflichtenden Neuregistrierung aller Religionsgemeinschaften

AKREF-A/09.12.24 - Nach Ablauf von etwa fünf Monaten der einjährigen Frist für die verpflichtende Neuregistrierung von mehr als 3.500 registrierten Gemeinschaften am 5. Juli 2025 herrschen Besorgnis und Geheimnisse um das Verfahren. Jede Gemeinschaft, die bis zum Ablauf der Frist keinen Antrag auf Neuregistrierung gestellt hat, soll gerichtlich aufgelöst werden. Bisher wurde angeblich nur eine Gemeinschaft neu registriert: die dem Moskauer Patriarchat unterstehende Belarussische Orthodoxe Kirche als landesweite religiöse Körperschaft.

Dem Religiösen Leitungsorgan der Muslime, einer registrierten religiösen Körperschaft, droht die Liquidierung, da es den neuen gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht. Das gleiche Schicksal trifft viele lokale Gemeinschaften in Dörfern

Entgegen den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen von Belarus ist jede Ausübung der Religions- bzw. Glaubensfreiheit ohne staatliche Erlaubnis illegal und kann Strafverfolgung oder verwaltungsrechtliche Verfolgung nach sich ziehen.

Die Verpflichtung zur Neuregistrierung ist eine Forderung des repressiven neuen Religionsgesetzes, das am 5. Juli 2024 in Kraft getreten ist.

Am 20. Februar 2024 prangerten drei Sonderberichterstatter*innen der Vereinten Nationen das durch das neue Religionsgesetz geschaffene „Klima der Einschüchterung für dem Staat nicht genehme religiöser Leiter, Gemeinschaften und deren Aktivitäten“ an.

In ihrem Jahresbericht über die Menschenrechtslage in Belarus an den UN-Menschenrechtsrat stellte die damalige Sonderberichterstatterin Anaïs Marin fest, dass das Regime in den letzten Jahren die Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt hat, insbesondere seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 2020. „Die Säuberung richtete sich 2021 gegen Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte, 2022 gegen unabhängige Gewerkschaften, 2023 gegen politische Partien und nimmt 2024 die religiösen Organisationen ins Visier.“

Viele Leiter von Religionsgemeinschaften waren sehr vorsichtig mit ihren Äußerungen zum Neuregistrierungsverfahren und weigerten sich, Forum 18 mitzuteilen, wie weit sie mit ihren Bemühungen kommen konnten. Andere wollten aus Furcht vor Repressionen überhaupt nicht über die mit der Neuregistrierung verbundenen Probleme sprechen.

Die wenigen Vertreter von Religionsgemeinschaft, die bereit waren, offen mit Forum 18 zu sprechen, ein Sprecher der katholischen Kirche, der Leiter des Baptistenbundes und ein muslimischer Leiter, bezeichneten die Neuregistrierung als reguläres Verfahren, das keine Besorgnis erregen sollte.

Das neue Religionsgesetz fordert, dass die religiöse Unterweisung von Kindern und Erwachsenen, das Teilen von Glaubensinhalten und die religiöse Literatur „der Ideologie des Staates Belarus“ nicht widersprechen dürfen. Diese Ideologie wird jedoch nicht näher beschrieben, wodurch willkürlicher Auslegung zur Rechtfertigung von Einschränkungen der Religionsfreiheit und anderer Grundfreiheiten Tür und Tor geöffnet wird. Die Begriffe „Extremismus“ und „Terrorismus“ werden in dem Gesetzestext an mehreren Stellen ebenfalls ohne Definition verwendet.

Nach den neuen Religionsgesetz müssen landesweite religiöse Körperschaften nun 15 Gemeinschaften in allen sieben Regionen von Belarus aufweisen. Da das Religiöse Leitungsorgan der Muslime, derzeit eine registrierte religiöse Körperschaft, den neuen gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht, droht die Auflösung, so ein Mitglied, das aus Furcht vor staatlichen Repressalien nicht namentlich genannt werden will, gegenüber Forum18.

Besorgnis besteht für Gemeinschaften in Dörfern und kleinen Siedlungen, die für eine Neuregistrierung nicht in Frage kommen, da nach dem neuen Religionsgesetz eine lokale Gemeinschaft mindestens 20 über 18 Jahre alte ortsansässige Mitglieder haben muss.

 

Gemäß Artikel 16 des neuen Religionsgesetzes müssen Religionsgemeinschaften ihrem Registrierungsantrag nicht nur ihre Statuten beilegen, sondern auch eine Bescheinigung über den Ort ihrer Betätigung (was in Kleinstädten und Dörfern schwierig sein kann). Sie müssen auch eine Liste von 20 oder mehr erwachsenen Gründungsmitgliedern vorlegen, die an einem Ort oder in Nachbargemeinden wohnen, wobei Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Adresse, Arbeits- oder Studienplatz und Telefonnummer jeder Person anzuführen sind. Die Liste muss mit den Unterschriften aller Gründungsmitgliedern versehen sein.

Ein Pastor, der nicht namentlich genannt werden möchte, äußerte gegenüber Forum 18 seine Befürchtungen, dass viele kleine Gemeinschaften in den Dörfern schließen müssten. „Wir haben bei der Registrierung in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass die zentralen und lokalen Behörden Gründungsmitglieder unter Druck setzen, keinen Antrag zu unterschreiben. Personen, die in einer Kleinstadt oder in einem Dorf wohnen, wo es nur einen Arbeitgeber gibt, wie etwa einen staatlichen Landwirtschaftsbetrieb, können entlassen werden, wenn sie sich dem Willen der Beamten nicht beugen.“

Ein anderer Pastor erklärte, dass manche Kirchenmitglieder zögern, ihren Arbeitgeber preiszugeben, meint aber, dass generell wenig Beunruhigung bezüglich der Angabe persönlicher Daten herrsche. Ein Vertreter des Baptistenbundes aus der Nähe von Minsk erklärte, dass es für große Gemeinden kein Problem wäre, die benötigte Anzahl von Gründungsmitgliedern zu finden.

Um neu registriert zu werden müssen lokale Gemeinschaften einen Antrag an die Ideologieabteilung ihrer Gemeindebehörde stellen. Für die Neuregistrierung regionaler und landesweit tätiger Religionsgemeinschaften, klösterlicher Gemeinschaften und religiöser Bildungseinrichtungen ist das Amt des Regierungsbevollmächtigten in Minsk zuständig.

Quelle: Forum 18, Oslo (Bericht vom 6. Dezember 2024)

Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA