07.12.2020
Deutschland: Christliche Armenier in Deutschland fürchten um ihr Leben
Nationalistische türkische "Graue Wölfen" stecken Drohbriefe in Briefkästen Hanau
Deutschland: Christliche Armenier in Deutschland fürchten um ihr Leben
(idea) – Die rund 2.000 Armenier in Hessen fürchten um ihr Leben. Das sagte der Gemeindepfarrer der Armenischen Apostolischen Kirche in Hessen und dem südlichen Rheinland-Pfalz, Gnel Gabrielyan (Hanau), in der ARD-Sendung "Tagesthemen". Ihm zufolge haben viele Armenier in den vergangenen Tagen Schreiben in ihren Briefkästen vorgefunden, in denen sie massiv bedroht werden. Absender seien Vertreter der rechtsextremen türkischen Gruppierung "Graue Wölfe". In den Briefe heiße es: "Die Grauen Wölfe werden euch kriegen! Ihr dreckigen Kinder Armenien, wir werden euch alle finden und eure Kinder werden an euren Gräbern stehen, bevor sie in ihr eigenes Grab fallen." Gabrielyian: "Die Menschen haben Angst, Anzeige zu erstatten." Seine Gemeinde erwarte Schutz und dass der Staat dem Treiben der "Grauen Wölfe" ein Ende setze. In Deutschland leben rund 80.000 Armenier. Nach Angaben des Verfassungsschutzes zählen die "Grauen Wölfe" in Deutschland rund 11.000 Anhänger. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisierte in dem ARD-Beitrag vor allem die Nachwuchsarbeit der "Grauen Wölfe". Schon kleine Kinder würden "mit dem Gift des islamischen Fanatismus verseucht".
Armenischer Bischof bittet um Hilfe
Der Vorsitzende der Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern, der Religionspädagoge Andreas Späth (Sachsen bei Ansbach), hat unterdessen die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) aufgefordert, eindeutig für die Armenier als christliche Geschwister Stellung zu beziehen. Er verwies auf das geistliche Oberhaupt der Armenier in Deutschland, Bischof Serovpe Isakhanyan (Köln). Dieser hatte die Innenminister der Bundesländer gebeten, die Gemeinden zu schützen. Nach den Worten von Späth sollte die EKD die Forderungen der Armenier nach besserem Schutz öffentlichkeitswirksam unterstützen. Es sei erschütternd, dass sich offenbar Christen heute nicht einmal in Deutschland sicher fühlen könnten. Noch erschütternder sei das Schweigen der Kirchen dazu. In dem Schreiben von Isakhanyan, über das die Tageszeitung "Die Welt" berichtete, heißt es: "Die Androhungen dieser gewaltbereiten und ultranationalistischen Gruppierung, die allgemein eine faschistische, antisemitische und antichristliche Ideologie verfolgt, nehmen wir angesichts der aktuellen Situation besonders ernst und sind als armenische Kirche und Gemeinschaft äußerst besorgt."
EKD-Sprecher: Können uns nicht äußern
Ein EKD-Sprecher sagte gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, man könne sich ohne Kenntnis der genauen Hintergründe nicht zu dem Beitrag in den "Tagesthemen" äußern. Generell gelte aber, dass sich die EKD seit langem für die Verwirklichung der Religionsfreiheit einsetze. Ideologien, die eine Ungleichheit zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen propagierten, sei daher mit aller Entschiedenheit zu widersprechen.
ARD: Verbot der "Grauen Wölfe" nicht zu erwarten
Unterdessen berichtet das ARD-Hauptstadtstudio, dass ein Verbot der "Grauen Wölfe" in Deutschland nicht zu erwarten sei. Zwar habe es im November einen entsprechenden fraktionsübergreifenden Antrag im Bundestag gegeben. Danach sollte das Bundesinnenministerium ein Verbot der Bewegung prüfen. Doch dafür seien die rechtlichen Hürden offenbar zu hoch. Die "Grauen Wölfen" seien kein Verein mit einer klaren Struktur, sondern eine Bewegung, deren Anhänger in drei Dachverbänden und rund 200 Vereinen organisiert seien.
Frei (CDU): "Graue Wölfe" sind die größte rechtsextremistische Gruppierung
Der Erziehungswissenschaftler Kemal Bozay sagte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass er ein Verbot der "Grauen Wölfe" in Deutschland für dringend notwendig halte. Das Problem des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland insgesamt werde das aber nicht lösen. Der Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei plädiert laut ARD dafür, mit Frankreich und gegebenenfalls auch anderen EU-Partnern eine "europäische Phalanx" zu bilden. Immerhin seien die "Grauen Wölfe" aktuell die größte rechtsextremistische Gruppierung in Deutschland. Der CDU-Politiker und Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak, sieht die "Grauen Wölfe" als eine der gefährlichsten militanten Gruppen aus der Türkei. Wie er der "Welt" sagte, bedrohen sie in Deutschland Linke, Aleviten, Kurden und Armenier: "Armenier sind die natürlichen Feinde der türkischen Nationalisten.Immer wieder wurde ich als Lokalpolitiker von dieser Gruppe als Armenier beschimpft, weil ich die Türkeipolitik kritisiere. Armenier ist ein gängiges Schimpfwort in diesen Kreisen und bedeutet Vaterlandsverräter." Die "Grauen Wölfe" und ihnen nahestehende Vereinigungen stehen unter Beobachtung durch den Bundesverfassungsschutz (BfV). Sie werden auch "Ülkücü" (auf Deutsch: Idealisten) genannt.