20.10.2002
Ägypten: Sicherheitspolizei verhaftet und bedrängt Christen
Ehemalige Muslime in Kairo in Haft
15. Oktober 2002 (Compass Direct/Offene Grenzen) -- Ein im letzten Monat aus dem Mazraa Tora-Gefängnis in Kairo herausgeschmuggelter Brief bestätigt, dass sich ein zum Christentum übergetretener und vor fünf Monaten verschwundener Ägypter unter der Anschuldigung einer
Straftat in Haft befindet.
Wie aus dem an einen koptischen Geistlichen gerichteten Schreiben
des 26-jährigen Hisham Samir Abdel Latif Ibrahims hervorgeht, wurde
er der Fälschung seiner Ausweispapiere und Schmähung des Islams
beschuldigt und 52 Tage hintereinander von der Sicherheitspolizei
(SSI) verhört.
Man glaubt, dass Ibrahim, der 1996 aufgrund des christlichen
Radioprogramms „Yanabi El Sahara“ (Quellen in der Wüste) Christ
geworden sein soll, mit Hilfe einer neuen Geburtsurkunde unter dem
Namen Milad Mahrous Habib Agayby an christliche Ausweispapiere
gekommen ist. Muslimen ist ein Wechsel ihrer religiösen Identität
gesetzlich verboten, während christlichen Mitbürgern der Übertritt
zum Islam mit offenen Anreizen schmackhaft gemacht wird.
Wie Ibrahim schreibt, musste er bis jetzt dreimal vor einem
Staatsanwalt erscheinen; die Untersuchungen in seinem Fall seien im
vergangenen Jahr eingeleitet worden.
Ibrahim berichtete auch, dass er von zwei weiteren ehemaligen
Muslimen aus Port Said hörte, die sich ebenfalls wegen Übertritts
zum Christentum in Untersuchungshaft befinden.
Einer von ihnen, Mohammed Hegazy, sei mit ihm zusammen im
Gefängnis, sagte Ibrahim, und sollte am 18. September vor dem
Staatsanwalt erscheinen.
Anfang des Jahres veröffentlichte Hegazy ein Gedichtbändchen. In
„Ashraf Pascha“, einem der 31 Gedichte dieses Büchleins, erinnert er
sich an die schweren Misshandlungen durch Ashraf Ma'alouf, einen
SSI-Beamten, der ihn Berichten zufolge wegen seines Übertritts zum
Christentum verhaftet, verhört und gefoltert hat.
Ibrahim schrieb auch, dass ihm vom Staatsanwalt gesagt wurde, eine
Konvertitin aus Port Said sei verhaftet worden. Ob die Frau, von der
er nur den Namen Sara kennt, noch in Haft ist, wisse er jedoch nicht.
Angriffe auf eine koptische Familie in diesem Zusammenhang:
Vor seinem Verschwinden am 7. Mai hatte Ibrahim bei Shafik Labeb
Ishaq und seiner Frau Violet gewohnt. Diese in einer evangelikalen
koptischen Gemeinde in Kairo aktiven Eheleute und ihre drei Töchter
werden seit März von der Sicherheitspolizei und extremistischen
Muslimen aus der Gegend schikaniert.
Ishaq, ein Buchhalter einer ägyptischen Kommunikationsfirma,
bestätigte, dass seine Frau und er im März zu Vernehmungen
vorgeladen worden seien, manchmal spät abends oder im
Morgengrauen. Zu den verschiedensten Nachtstunden kam die
Polizei auch unter dem Vorwand der Suche nach unbekannten
Personen.
Die Familie erhielt auch Drohbriefe und Dutzende obszöner Anrufe
mit der Drohung, man werde ihre jüngste Tochter Sarah, 14,
entführen und vergewaltigen.
Am 8. April gelang es fanatischen Muslimen aus der Nachbarschaft,
Sarah vier Tage lang zu kidnappen. Ihre Eltern gelang es zwar, sie zu
finden und ihre Rückgabe zu erzwingen, doch gab es
Entführungsversuche auch am 28. Juli und 16. August. Inzwischen
haben Sarahs Eltern Ausreisepapiere für sie besorgt und sie nach
England geschickt, wo sie an einem ungenannten Ort darauf wartet,
dass ihre Familie Ägypten verlassen und zu ihr kommen kann.